Verkehrsblockaden durch Schnee und Eis:Lkw - in Ketten gelegt

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Deutschland ächzt unter Schnee und Eis - Unfälle und liegengebliebene Fahrzeuge lassen vielerorts den Verkehr zusammenbrechen. Jetzt könnten die Regeln für die Winterausrüstung von Lkw und Bussen drastisch verschärft werden.

Immer wieder stoppten liegengebliebene Lastwagen in den vergangenen Tagen den Verkehr - nun fordern Verkehrsexperten von SPD und Grünen schärfere Winterregeln für Lkw und Busse. "Ich halte eine Schneekettenpflicht bei Lkw für sinnvoll. Es kann nicht sein, dass liegengebliebene Lkw im Winter die Autobahnen verstopfen", sagte der Verkehrsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Uwe Beckmeyer, den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. Auch Jochen Ott, Vize-Chef der nordrhein-westfälischen SPD, sagte: "Ich halte viel von einer Schneekettenpflicht. Es kann nicht sein, dass alle Verkehrsteilnehmer unter quer stehenden Lkw leiden."

Nichts ging mehr auf der A1: Am Freitag staute es sich bei Wuppertal auf 40 Kilometern Länge. Grund: Schneeglätte und querstehende Lkw. (Foto: dpa)

In einer Verordnung müsse festgeschrieben werden, dass Lastwagenfahrer Schneeketten dabei haben, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen und Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Winfried Hermann. Außerdem solle eine schärfere Winterreifenpflicht für Lastwagen und Busse gelten. "Es reicht nicht aus, für Busse und Lkw Winterreifen nur auf der Antriebsachse vorzuschreiben", sagte Hermann. Jetzt räche sich, "dass der Bundesverkehrsminister dem Jammern der Spediteure über zusätzliche Kosten mit falschen Zugeständnissen nachgegeben hat."

Ramsauer müsse seine Vorschriften im Interesse der Verkehrssicherheit dringend nachbessern. Hermann forderte zudem viel härtere Sanktionen, wenn Lkw ohne Winterreifen unterwegs seien. "Bußgelder von 40 bis 80 Euro sind angesichts des Gefährdungspotentials ein Witz."

Der verkehrspolitische Sprecher der Union, Dirk Fischer (CDU), forderte, für Spediteure müssten künftig schärfere Vorgaben und Sanktionen gelten als für andere Autofahrer. Dazu gehöre eine Winterreifenpflicht ohne Abstriche und bei Verstößen "Bußgelder im dreistelligen Eurobereich sowie schärfere Strafpunkte-Regeln". Außerdem müsse es erweiterte Fahrverbote für Lkw auf Autobahnen geben. Bei der gegenwärtigen Witterung seien Lkw im Zweifelsfall stunden- oder tageweise aus dem Verkehr zu ziehen.

Flughafen Frankfurt: Keine Entspannung in Sicht

Indes kämpft der Verkehr auf deutschen Schienen, Straßen und in der Luft weiterhin mit der frostigen Witterung. Am verschneiten Frankfurter Flughafen warteten am Samstagmorgen Tausende Passagiere auf ihren Abflug. "Der Flugplan ist komplett aus den Fugen geraten", sagte ein Sprecher des Betreibers Fraport. Bis 9 Uhr seien schon 100 Flüge gestrichen worden, am Vortag waren 560 von 1400 Flügen am größten deutschen Airport annulliert worden. Etwa 2500 am Freitag gestrandete Fluggäste wurden am Morgen zusätzlich in den ohnehin schon vollen Terminals erwartet. "Von Entspannung kann keine Rede sein", sagte der Sprecher. In Frankfurt seien zwar die Start- und Landesbahnen geräumt. Aber weil andere europäische Flughäfen derzeit geschlossen seien - etwa Pisa und Flughäfen in Kroatien - könne sich die Lage in Frankfurt noch verschärfen.

Schnee und Eis behindern zunehmend auch die Versorgung in Deutschland. Den ersten Tankstellen ging eine Woche vor Weihnachten der Treibstoff aus. Spritmangel betraf besonders Tankstellen in den Mittelgebirgen wie im Harz, im Erzgebirge oder im Thüringer Wald. Aufgrund der Engpässe dürfen in Thüringen und Sachsen an diesem Sonntag ausnahmsweise Streusalz- und Benzinlaster fahren. Bei der Bahn wurde vorsorglich die Spitzengeschwindigkeit der Schnellzüge bundesweit auf 200 Kilometer pro Stunde gedrosselt. So soll verhindert werden, dass von der Wagenunterseite fallende Eisklumpen Schotter aufwirbeln und Wagen beschädigen. Es gab viele Verspätungen. Am Wochenende soll es weiter schneien. Die Zahl der Zugverspätungen und Autounfälle dürfte somit hoch bleiben.

Höhere Kosten für die Kommunen

Wegen des frühen Wintereinbruchs sehen die Kommunen deutlich höhere Kosten für den Winterdienst auf sich zukommen. Das Räumen der rund 450.000 Kilometer Gemeindestraßen habe bereits im vergangenen Jahr mehr als 3,5 Milliarden Euro Zusatzkosten verursacht und bislang hätten längst nicht alle Schäden repariert werden können, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Gerd Landsberg, der Zeitung Rheinpfalz am Sonntag. Sollte dieser Winter strenger als 2009/2010 werden, sei mit weiteren Milliarden Zusatzkosten zu rechnen. Landsberg schloss nicht aus, dass - wie in nordischen Ländern bereits üblich - auch in Deutschland bei dauerhaftem Schnee künftig teilweise auf ein Räumen der Straßen verzichtet werde. Die Autofahrer müssten sich dann an das Fahren auf fester Schneedecke gewöhnen.

Nach Erkenntnissen des Gemeindebundes wurden bereits im vorigen Winter teilweise doppelt bis dreimal soviel Streusalz und Streugut verwendet wie in früheren Jahren. Die Tagesproduktion liege derzeit bei rund 50.000 Tonnen und werde komplett benötigt.

© sueddeutsche.de/dapd/afp/dpa/dgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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