Süddeutsche Zeitung

Mögliche Wende im Fall Strauss-Kahn:"Lücken in der Glaubwürdigkeit des Zimmermädchens"

Erst sprach die Staatsanwaltschaft von erdrückenden Beweisen, nun hat sie angeblich das Vertrauen in das Zimmermädchen verloren, das Dominique Strauss-Kahn versuchte Vergewaltigung vorwirft - die Frau soll mehrfach gelogen haben. Laut Medienberichten wird sogar erwogen, die Anklage gegen den ehemaligen IWF-Chef ganz fallen zu lassen. In wenigen Stunden muss er vor Gericht erscheinen.

Wenn die Berichte stimmen, könnte es die Wende in einem der spektakulärsten Fälle des Jahres sein: An der Glaubwürdigkeit des Zimmermädchens, das dem früheren Währungsfonds-Chef Dominique Strauss-Kahn einen Vergewaltigungsversuch vorwirft, gibt es nach Angaben der New York Times und des Fernsehsenders CNN erhebliche Zweifel.

Die Zeitung schreibt in ihrer Freitagsausgabe, dass die Staatsanwälte das Vertrauen in ihre wichtigste Zeugin verloren hätten. Am Donnerstag sollen sie deshalb ein Treffen mit der Verteidigung einberufen haben. Dabei soll auch darüber diskutiert worden sein, ob die Anklage fallengelassen wird. Der ganze Fall sei "am Rande des Zusammenbruchs". Kurz zuvor war bekanntgeworden, dass Strauss-Kahn noch am Freitag überraschend vor Gericht erwartet wird.

Die 32-Jährige, die vor neun Jahren aus dem westafrikanischen Guinea eingewandert war, soll nicht nur bei ihrem Asylantrag gelogen haben. Es gebe auch Hinweise, dass sie in Geldwäsche und Drogenhandel verwickelt sei. Die Zeitung beruft sich dabei auf zwei hochrangige Strafverfolger, ohne sie namentlich zu nennen.

Die Frau hatte angegeben, dass Strauss-Kahn sie am 14. Mai in seinem Hotelzimmer splitternackt überfallen und zum Oralsex gezwungen habe. Der Franzose wurde gut vier Stunden später in der Ersten-Klasse-Kabine seines Paris-Fluges festgenommen und sitzt seitdem in Haft. Die letzten Wochen durfte er allerdings, nach Hinterlegung einer Kaution von sechs Millionen Dollar, unter strengsten Auflagen, in einem großzügigen Stadthaus in Manhattan wohnen. Die Sicherheitsmaßnahmen, darunter auch Überwachungskameras, kosten ihn schätzungsweise 200.000 Dollar im Monat, die Miete beträgt 50.000 Dollar.

Strauss-Kahn hat stets seine Unschuld beteuert, seine Anwälte hatten vor Gericht erklärt, bei der Begegnung sei es zu einvernehmlichem Sexualverkehr gekommen. Nun soll Strauss-Kahn an diesem Freitag wieder vor Gericht erscheinen. Eigentlich war als nächster Verhandlungstag der 18. Juli vorgesehen.

Ein Gewährsmann sagte der Nachrichtenagentur AP, die Staatsanwaltschaft wolle bei dem Gerichtstermin eine drastische Reduzierung der millionenschweren Kaution fordern. Zudem wolle sie dem Richter gegenüber deutlich machen, dass sie "Probleme mit dem Fall" habe, berichtete die New York Times. Ein ungewöhnlicher Schritt, zumal die Staatsanwaltschaft anfangs erklärt hatte, die Beweise gegen Strauss-Kahn seien erdrückend. Der Zeitung zufolge ist auch eine Entlassung aus dem Hausarrest möglich. Verteidiger Ben Brafman bestätigte Spiegel Online, er wolle eine Erleichterung des Hausarrests erreichen.

"Es ist ein Schlamassel, ein Schlamassel für beide Seiten"

Die Ermittler würden nun intern über "große Lücken in der Glaubwürdigkeit" der Frau klagen, berichtete die New York Times. Sie habe bei den Vernehmungen in den vergangenen knapp sieben Wochen wiederholt gelogen. Auch wenn es Beweise für einen sexuellen Kontakt gebe, würden die Ankläger ihr nicht mehr viel glauben.

Die Frau soll innerhalb von 24 Stunden nach der Tat mit einem inhaftierten Mann über die Möglichkeit gesprochen haben, mit Vorwürfen gegen den Franzosen Geld zu machen. Das Gespräch wurde demnach aufgezeichnet. Der Mann sitze wegen Drogenschmuggels im Gefängnis und habe immer mal wieder Geld, insgesamt etwa 100.000 Dollar, auf dem Konto der Frau geparkt, hieß es.

Bislang galt die Frau als alleinstehende Mutter, die mit dem Lohn als Zimmermädchen mühsam sich und ihr Kind durchbringt. Laut New York Times sagte sie, die Einzahlungen seien von einem Freund ohne ihr Wissen gemacht worden. Sie wisse auch nichts über monatliche Telefonrechnungen in Höhe von Hunderten Dollar. Das mutmaßliche Opfer halte an ihren Vorwürfen fest, wird ein Beteiligter zitiert. "Es ist ein Schlamassel, ein Schlamassel für beide Seiten", sagte er.

Wegen der Vorwürfe war Strauss-Kahn als IWF-Chef zurückgetreten. Er galt als aussichtsreichster Herausforderer der französischen Sozialisten gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy bei den nächsten Präsidentenwahlen.

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