Vergewaltigungsopfer und katholische Kliniken:Dogmatisches Dilemma

Katholische Krankenhäuser in Köln

Erklärungsversuche: Wencke Ruhwedel vom St. Vinzenz Krankenhaus, Hendryk Pilch vom Heilig Geist Krankenhaus in Köln.

(Foto: dpa)

Der Fall der unbarmherzigen Mediziner an zwei katholischen Kliniken in Köln löste bundesweit Empörung aus: Einem Vergewaltigungsopfer war dort eine gynäkologische Untersuchung verwehrt worden. Teil des dogmatischen Dilemmas sind auch militante Abtreibungsgegner, die auf die Moral kirchlicher Krankenhäuser pochen.

Von Matthias Drobinski

Eine junge Frau fürchtet, bewusstlos vergewaltigt worden zu sein, sie sucht Hilfe im katholischen St.-Vinzenz-Hospital - und wird abgewiesen, auch in einem zweiten katholischen Krankenhaus. Angeblich fürchteten die Ärzte berufliche Konsequenzen, wenn sie der Frau zur "Pille danach" raten.

Der Fall der unbarmherzigen Mediziner aus Köln hat bundesweit Empörung ausgelöst. Dabei, so betonen das Erzbistum Köln und der Krankenhausträger, der Orden der Cellitinnen, sei doch alles ein Missverständnis: Selbstverständlich erhalten Vergewaltigungsopfer jede Hilfe - nur die "Pille danach" gebe es nicht, denn sie zu verabreichen verstoße gegen das Abtreibungsverbot der katholischen Kirche.

Ist also, was da im Dezember in Köln geschah, nur eine Panne? So einfach ist die Sache nicht, wenn man sich die Vorgeschichte des Falles anschaut, die tief in die innerkatholischen Konflikte führt. Zum Beispiel, was am 30. Oktober 2011 geschah. Da kommt eine Frau in die Gynäkologie des St-Vinzenz-Hospitals, bittet um die "Pille danach". Der diensthabende Arzt sagt, er dürfe das nicht und schickt sie in die Notfallambulanz auf dem Klinikgelände. Die wird von der Gesetzlichen Krankenversicherung betrieben; die sieht sich nicht an die katholische Sexuallehre gebunden und stellt das Rezept aus.

So geht es häufig in katholischen Krankenhäusern - nur dass diesmal die Patientin nicht echt ist. Sie ist von einer Testkaufagentur entsandt, die wiederum ist von strikten Abtreibungsgegnern beauftragt, die Glaubenstreue der katholischen Krankenhäuser in Köln zu testen. Am 3. Februar 2012 berichtet der rechtskatholische Internetsender Gloria.tv über die Aktion. Der Vorwurf: Die Krankenhäuser untergraben die katholische Moral, wenn sie im eigenen Haus Ärzte dulden, die nicht den kirchlichen Grundsätzen verpflichtet sind - und dann noch Frauen dorthin überweisen.

Ärzte sind verunsichert

Nun findet Gloria.tv kein nennenswertes Publikum, "trotzdem hat so etwas Auswirkungen", sagt Christoph Leiden, Sprecher der "Hospitalvereinigung St. Marien" der Cellitinnen. Konservative Katholiken beschweren sich beim Erzbischöflichen Ordinariat, die Kliniken müssen sich erklären, die Ärzte sind verunsichert. Im St.-Vinzenz-Hospital hatte es zudem einige Personalwechsel gegeben, und so machte sich im Mai 2012 die neue Ethik-Referentin daran, eine Stellungnahme zu erarbeiten, die war dann im November fertig. "Die künstliche Verhütung einer potentiellen Schwangerschaft, auch nach einem vermuteten Sexualdelikt" werde "von der katholischen Kirche als schweres sittliches Vergehen angesehen", heißt es da. Allerdings müsste einer Patientin "außer der Notfallkontrazeption alle medizinischen Maßnahmen sofort angeboten werden".

Die Richtlinie sei zwar in Zusammenarbeit mit dem erzbischöflichen Ordinariat erarbeitet worden, allerdings, so betonen Hospitalvereinigung und Ordinariat, nicht nach einer Intervention oder einem Gespräch mit dem Kölner Kardinal Joachim Meisner. Und doch spielt der Kardinal eine wichtiger Rolle. Unter den deutschen Bischöfen kämpft er mit den stärksten Worten gegen Abtreibung, die "Pille danach", Verhütungsmittel überhaupt. Auf seine Initiative hin mussten die deutschen Bischöfe aus der staatlichen Schwangerschaftskonfliktberatung aussteigen. Und als es 2010 in Simmerath darum ging, ob die Städteregion Aachen ein bis dahin kirchliches Krankenhaus übernimmt, wollte Kardinal Meisner nur zustimmen, wenn der neue Träger sich verpflichte, keine Abtreibungen vorzunehmen, Spiralen einzusetzen, die "Pille danach" zu verschreiben.

Die Regeln gelten für alle katholischen Krankenhäuser - schon da kann man fragen,wie sehr sich das mit dem Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz stößt. Aber in Köln wissen alle Kirchenbediensteten, dass ihr oberster Chef besonders über die Regeln wacht. "Die Ärzte sind in einer schwierigen Lage", sagt Krankenhaussprecher Leiden. Und aus Angst, gegen die katholischen Normen zu verstoßen, ließen sie im Fall der jungen Frau die menschlichen Regeln außer Acht. Das Dilemma sei nur "auf höherer Ebene zu klären", sagt der Sprecher. Die Verbindung mit den Notfallambulanzen jedenfalls wolle man nicht lösen, wie dies die Abtreibungsgegner fordern.

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