Süddeutsche Zeitung

Vergewaltigungsopfer und katholische Kliniken:"Bedauerlicher Zwischenfall" in Gottes Namen

Um ihre "ethischen Grundsätze" geht es den katholischen Krankenhäusern, wenn sie sich weigern, die "Pille danach" herauszugeben. Eine Praxis, die offenbar bis ins Absurde übersteigert wird, wie nun ein Fall aus Köln zeigt. Dort haben gleich zwei katholische Kliniken einer vergewaltigten Frau Hilfe verweigert.

Von Matthias Drobinski

Was auf der Party gewesen war, wusste sie nicht mehr, nur, dass sie irgendwann die Besinnung verloren hatte und dann auf einer Parkbank im Kölner Stadtteil Kalk aufgewacht war. Das waren K.-o.-Tropfen, vermutete die 25-jährige Frau - und die schlimme Frage tauchte auf: War sie vergewaltigt worden?

Gemeinsam mit ihrer Mutter ging sie also zum Notdienst; die diensthabende Ärztin rief die Polizei, stellte ein Rezept für die "Pille danach" aus, rief die Gynäkologie im benachbarten St.-Vinzenz-Hospital an - und wurde abgewiesen. Eine Untersuchung nach einem sexuellen Übergriff sei nicht möglich, hieß es, denn unweigerlich müsse das Gespräch auf die Frage kommen, ob eine mögliche Schwangerschaft beendet werden solle. Und das sei mit katholischen Grundsätzen genauso unvereinbar wie die faktische Abtreibung mit der "Pille danach".

Auch in einem zweiten Krankenhaus sei die Hilfe suchende Frau abgewiesen worden, berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger, erst in einer evangelischen Klinik wurde ihr geholfen. Der Zeitung zufolge hätten die Ärztinnen der katholischen Krankenhäuser ihre Weigerung mit der Angst begründet, entlassen zu werden - sie seien arbeitsrechtlich den Glaubensgrundsätzen der katholischen Kirche verpflichtet. Verbietet also das Erzbistum Köln den katholischen Krankenhäusern, Vergewaltigungsopfer zu behandeln?

Fehler des Krankenhauses?

Nein, betont das Erzbistum Köln. "Auch in katholischen Krankenhäusern erhalten die Betroffenen Frauen die notwendige Heilbehandlung", heißt es in einer Erklärung des Erzbistums, dazu gehöre "gegebenenfalls auch eine volle Kooperation mit der anonymen Spurensicherung". "Wenn das anders war, hat das Krankenhaus da einen Fehler gemacht," sagt ein Sprecher des Erzbistums. Einen Fehler allerdings, der, soweit man rekonstruieren kann, was sich da im Dezember ereignete, durchaus im System liegt.

Denn tatsächlich ist es katholischen Krankenhäusern verboten, selbst Vergewaltigungsopfern die "Pille danach" zu verordnen, und offenbar wird im Erzbistum Köln besonders darauf geachtet, dass diese Regel eingehalten wird. Beim Orden der Cellitinnen, der Träger des St.-Vinzenz-Krankenhauses ist, heißt es, man habe sich mit dem Kölner Kardinal Joachim Meisner beraten und daraufhin diese Regelung getroffen. Allerdings handle es sich hier nicht um eine Dienstanweisung, sondern um eine Stellungnahme, wie die der einzelne Chefarzt umsetze, sei ihm nicht vorgeschrieben.

Und tatsächlich gilt diese Regelung nicht nur im Erzbistum Köln so - sondern zumindest im Grundsatz für alle katholischen Krankenhäuser. "Es entspricht unseren ethischen Grundsätzen, dass wir in unseren Krankenhäusern keine Abtreibungen vornehmen und auch nicht die ,Pille danach' verabreichen, die ja wie eine Abtreibung wirkt", sagt Claudia Beck, die Sprecherin des Deutschen Caritasverbandes.

Völlig klar sei dagegen, dass Vergewaltigungsopfer in den katholischen Kliniken medizinisch versorgt würden. "Sie bekommen dort jede Hilfe, die sie brauchen, im medizinischen, aber auch im psychischen und sozialen Bereich," sagt die Caritas-Sprecherin. Nur eben kein Mittel, das verhindert, dass sich ein schon befruchtetes Ei in der Gebärmutter einnistet.

Streng genommen heißt dies: Aus katholischer Sicht darf auch eine Frau nicht abtreiben, wenn sie nach einer Vergewaltigung schwanger ist, und deshalb darf eine katholische Einrichtung nicht daran mitwirken, dass eine Frau diese Schwangerschaft beendet. Auch in der katholischen Kirche stößt dies auf Kritik: Die Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Ursula Heinen-Esser, Landesvorsitzende der von katholischen Laien gegründeten Schwangerenberatung Donum Vitae, spricht gar von einem Skandal. Es sei die Pflicht von Krankenhäusern, Vergewaltigungsopfern jegliche Hilfe zukommen zu lassen.

Der katholische Moraltheologe Konrad Hilpert spricht von einer "schlimmen Konfliktsituation, einem Notstand, der nicht einfach zu Lasten der betreffenden Frau entschieden werden sollte". Der Frau drohe schließlich "nach dem Unrecht der Vergewaltigung auch noch das weitere einer aufgezwungenen Schwangerschaft mit Folgen für ihr ganzes Leben". Deshalb könne "in einem solchen Notstand auch ein anderes Handeln vertretbar" sein, "als Ergebnis einer gewissenhaften Erwägung".

Das Kölner Erzbistum hat inzwischen erklärt, man tue alles, "um eine Wiederholung eines solchen sehr bedauerlichen Einzelfalls auszuschließen".

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SZ vom 18.01.2013/mkoh
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