Vergewaltigungsfall um Regisseur:Ein Albtraum namens Polanski

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Seit über 30 Jahren läuft der Vergewaltigungsfall um Roman Polanski - jetzt hat sein mutmaßliches Opfer Samantha Geimer ihre Memoiren veröffentlicht (Foto: dpa)

Der Vergewaltigungsvorwurf gegen Roman Polanski ist nach wie vor ungeklärt. Jetzt hat das mutmaßliche Opfer Samantha Geimer ein Buch veröffentlicht. "Wenn ich heute entscheiden könnte, ob ich lieber aussagen oder vergewaltigt werden würde: Ich würde mich für die Vergewaltigung entscheiden", schreibt sie.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt einen Satz in diesem Buch, den man nicht ungelesen machen kann. Samantha Geimer schreibt ihn in ihrem Buch "The Girl - A Life in the Shadow of Roman Polanski", er lautet: "Wenn ich heute entscheiden könnte, ob ich lieber aussagen oder vergewaltigt werden würde: Ich würde mich für die Vergewaltigung entscheiden." Warum diese Bitternis? Der Missbrauch, so erscheint es ihr, ging nach der Vergewaltigung durch Polanski weiter. Oder er ging erst so richtig los. Denn Geimer musste ihre Geschichte erzählen, immer und immer wieder.

Ein hartes, ein überraschendes Buch hat Samantha Geimer geschrieben - es ist nicht die "Ich war in der Hölle"-Geschichte, die sich natürlich wahnsinnig gut verkaufen ließe. Vielmehr möchte sich Geimer gegen diese Opfer-Industrie zur Wehr setzen. "Man sollte das, was mir passiert ist, nicht schlimmer machen, damit es interessanter wird", sagt sie.

"Daran gibt es keinen Zweifel"

Es war der 10. März 1977. Geimer hieß damals noch Gailey, ein 13 Jahre altes California Girl. Ihre Mutter, eine erfolglose Schauspielerin, hatte Roman Polanski kennengelernt. Der war ein Großer in Hollywood, einer, der anderer Menschen Träume wahr machen konnte. Und der wollte Fotos von Samantha schießen für die französische Ausgabe des Modemagazins Vogue. Was für eine Chance! Es schien, als könnte die Tochter den Traum der Mutter leben.

Was folgte, beschreibt Geimer in der Sprache eines naiven Teenagers. "Ich wollte das nicht und habe immer wieder Nein gesagt", schreibt Geimer. "Es war eindeutig eine Vergewaltigung. Daran gibt es keinen Zweifel." Die Mutter erfuhr davon und zeigte Polanski an. Der wurde festgenommen, saß 42 Tage lang in Untersuchungshaft. Weil ein Deal mit dem Gericht platzte, flüchtete er nach Frankreich. 2009 kam der Fall wieder in die Schlagzeilen, weil Polanski in der Schweiz festgenommen, dann aber nicht an die USA ausgeliefert wurde.

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Vom Moment der Anzeige an ändert sich der Ton in dem Buch, nun berichtet eine erwachsene Frau über die schrecklichen Jahre danach. Geimer klagt nicht an. Sie verurteilt nicht Polanski, der die Vergewaltigung heute noch leugnet, Geimer jedoch nach einer Zivilklage im Jahr 1988 etwa 500 000 US-Dollar gezahlt haben soll und ihr gelegentlich E-Mails schreibt. Geimer verurteilt auch nicht den mittlerweile gestorbenen Richter Laurence Rittenband, der im Prozess Journalisten gefragt haben soll, wie er entscheiden solle. Sie verurteilt auch nicht ihre Mutter, die eine 13-Jährige ins Auto eines Mannes steigen ließ, den sie auf einer Party getroffen hatte.

Es ist ein nüchterner Bericht über das Hollywood der Siebzigerjahre, über den kalifornischen Lifestyle, die Beziehung von mächtigen Männern und hübschen jungen Frauen, über das amerikanische Rechtssystem, über den Umgang von Journalisten mit Skandalen, über die Sensationsgier jener, die diese Journalisten-Berichte lesen. Natürlich wird Samantha Geimer, die mittlerweile verheiratet ist, zwei Kinder hat und zwischen ihren Wohnsitzen auf Hawaii und in Nevada pendelt, einen Haufen Geld verdienen mit diesem Buch. Sie ist in den Schlagzeilen, es gibt Berichte und Fernsehsendungen. Aber das mache ihr nichts aus, sagt sie: "Es kommt eine Zeit im Leben, da muss man loslassen." Geimer erzählt ihre eigene Version einer scheinbar bekannten Geschichte vor allem aus einem Grund: damit sie es von nun an nie wieder tun muss.

© SZ vom 24.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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