Vergewaltigungs-Prozess:"Es war die Hölle und zurück"

Drei weiße US-Studenten, die eine schwarze Stripperin vergewaltigt haben sollen, sind allen Vorverurteilungen zum Trotz unschuldig. Ein übereifriger Staatsanwalt soll entlastende Indizien unterschlagen haben.

Paul-Anton Krüger

Der Fall hat die Vereinigten Staaten gespalten wie kein zweiter in den vergangenen Jahren. Rassismus und Sex waren seine explosiven Zutaten. Das arme Amerika prallte auf das reiche, das schwarze auf das weiße. Doch jetzt hat die Geschichte sich gewendet, sodass sie auch noch das Justizsystem im Bundesstaat North Carolina erschüttert.

Vergewaltigungs-Prozess: Vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen: Dave Evans und Collin Finnerty.

Vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen: Dave Evans und Collin Finnerty.

(Foto: Foto: ap)

Es ist die Nacht zum 14. März 2006, um deren Verlauf 13 Monate lang gestritten werden soll. Studenten der Eliteuniversität Duke haben ein Haus für eine Party gemietet. Die Jungs, um die 20 Jahre, aus betuchtem Elternhaus und bis auf einen alle weißer Hautfarbe, spielen Lacrosse, eine Art Hockey mit netzbezogenen Schlägern.

Dem Team eilt nicht nur der Ruf sportlicher Erfolge voraus, auch für Saufgelage und rüpeliges Verhalten sind sie auf dem Campus bekannt. Für diese Nacht haben sie sich Stripperinnen bestellt - zwei schwarze Frauen, die für je 400 Dollar tanzen und sich ausziehen sollen. Der alkoholselige Abend gerät außer Kontrolle, die "exotischen Tänzerinnen", wie Medien später politisch korrekt schreiben, brechen die Show ab, als die Jungs anzüglich werden.

Eine der beiden, eine alleinerziehende Mutter von 27 Jahren, die sich ihr Studium an der vorwiegend von Schwarzen besuchten North Carolina Central University mit dem Job bei der ,,Begleitagentur'' verdient, beschuldigt noch in derselben Nacht drei der Studenten bei der Polizei: Sie sei in ein Bad geschleppt worden, dort hätten die jungen Männer sie mehrmals vergewaltigt und rassistisch beschimpft.

Ermittlungen wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Entführung

Der weiße Bezirksstaatsanwalt Michael Nifong treibt die Ermittlungen mit glühendem Eifer voran. Er muss durch eine Wahl noch im Amt bestätigt werden im zu 40 Prozent von Afroamerikanern bewohnten Durham. Zwei Studenten lässt er festnehmen, nur gegen eine Kaution von je 400.000 Dollar kommen sie frei. Sie beteuern ihre Unschuld, doch Nifong ermittelt weiter wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Entführung.

Die Medien stürzen sich auf den Fall. Er verspricht, all die Gräben in der amerikanischen Gesellschaft sichtbar zu machen, all die Ungerechtigkeiten ans Tageslicht zu fördern. Die meisten Teammitglieder schweigen eisern, die Beschuldigten heuern Staranwälte an. Allein das wird schon als Eingeständnis von Schuld gewertet.

"Es war die Hölle und zurück"

"Eine Horde von Hooligans"

Der schwarze Bürgerrechtler Jesse Jackson betet für das vermeintliche Opfer, sogar Duke-Professoren prangern Rassismus und Frauenfeindlichkeit in der Elite-Uni an, werfen dem Rektor eine zu laxe Haltung vor. Das Lacrosse-Team wird von der Saison zurückgezogen, der Trainer muss gehen. Die Nation erregt sich über die sexistischen Exzesse der verzärtelten Bubis von der Ostküste.

Staatsanwalt Nifong trägt freimütig seinen Teil dazu bei, als er die Beschuldigten öffentlich als "eine Horde von Hooligans" bezeichnet. Er sucht den großen Auftritt, spricht bald von "schlagenden Beweisen" - doch die, das ist seit Mittwochabend klar, hat es nie gegeben.

Übereifriger Staatsanwalt

Der Generalstaatsanwalt von North Carolina, Roy A. Cooper, hat alle Anschuldigungen fallenlassen gegen die drei Studenten. Schwere Vorwürfe erhebt er dafür gegen Nifong. Mit dem Gewicht des Staates im Rücken habe der Bezirksstaatsanwalt ohne Hemmungen das Verfahren vorangetrieben.

"Es gab viele Punkte in diesem Fall, wo Vorsicht der Justiz einen besseren Dienst geleistet hätte als Eifer", sagt Cooper, "und in der Eile zu verurteilen, hat der Staat die Fähigkeit verloren, klarzusehen."

Cooper hat den Fall im Dezember von Nifong übernommen, als der den Vorwurf der Vergewaltigung nicht länger aufrechthalten konnte. Das vermeintliche Opfer verstrickte sich in zu viele Widersprüche. Mehr als drei Monate lang sichtete North Carolinas oberster Ankläger daraufhin Beweise.

Entlastende Indizien unterschlagen

Das Ergebnis ist vernichtend: Der Bezirksanwalt unterschlug dem Gericht und der Verteidigung entlastende Indizien. So hatten sich die Teilnehmer der Party DNS-Tests unterziehen müssen. Doch passten die Erbinformation der Lacrosse-Spieler zu keiner der an der Frau gefundenen Spuren.

"Keine DNS bestätigt die Geschichte der Anklägerin, keine Zeugen bestätigen ihre Version. Andere Beweise widerlegen ihre Aussage, und sie widerspricht sich selbst", resümierte Cooper das Ergebnis.

Auf Nifong kommen nun neben einem dienstrechtlichen Verfahren möglicherweise auch ein Strafprozess und zivilrechtliche Forderungen zu. Sein Anwalt wies den Vorwurf zurück, Nifong haben den Fall politisch instrumentalisiert, um seine Karriere voranzubringen.

Er habe an den Fall geglaubt und ihn nur deshalb vorangetrieben. Anklage gegen die Stripperin wird nicht erhoben, Cooper deutete an, sie sei in vorherigen Prozessen wegen Drogendelikten als vermindert schuldfähig eingestuft worden.

Die Studenten, von allen Vorwürfen entlastet, versammelten sich mit Mannschaftskollegen, Freunden und Eltern in einem Hotel. "Es war die Hölle und zurück", sagte einer von ihnen.

Ein anderer, der 21-jährige Reade W. Seligmann, fügte hinzu, der Fall zeige, dass die Gesellschaft das fundamentalste Prinzip der Rechtsordnung aus den Augen verloren habe - die Unschuldsvermutung. Nachdenklich aber muss sein Nachsatz stimmen: "Wenn die Polizei und ein Staatsanwalt uns so plattmachen können, ohne irgendeinen Beweis, dann frage ich mich, was sie Leuten antun, die nicht unsere Möglichkeiten haben, sich zu verteidigen."

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