Vergewaltigung in der Siegaue:Ein neuer Prozess, zwei zerstörte Leben

Revisions-Prozess zur Vergewaltigung in den Siegauen

Er verhöhnte sein Opfer als "Prostituierte": Eric X. vor dem Bonner Landgericht.

(Foto: dpa)
  • Im April vergangenen Jahres ist ein campendes Pärchen in der Bonner Siegaue überfallen worden, die Frau wurde vergewaltigt.
  • Eric X. ist dafür zu elfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden, der BGH hob das Urteil jedoch teilweise auf.
  • Das Bonner Landgericht muss nun klären, ob der Angeklagte vermindert schuldfähig ist.

Von Jana Stegemann, Bonn

"Ich bin seit 30 Jahren Richter. In keinem Verfahren habe ich bisher solche Fesselungen angeordnet wie in diesem", sagt Klaus Reinhoff zu Eric X., der an Händen und Füßen gefesselt von zwei Wachtmeistern an diesem Dienstagmorgen in den Gerichtssaal gebracht wird. X. gilt als unberechenbar und gewalttätig. Er geht schwerfällig, ein Verband bedeckt seinen Nacken, rechter Arm und rechte Hand sind verbunden. Der 32-Jährige hat nach jetzigem Ermittlungsstand im Februar seine Matratze in der JVA Köln angezündet, er wurde schwer verletzt gerettet und lag im Koma. 23 Prozent seiner Hautoberfläche verbrannten. X. stand kurz vor einer Verlegung in eine andere JVA, weil er immer wieder Aufseher und Mitgefangene bedrohte.

Elf Monate nach seiner Verurteilung beschäftigt der als "Siegauen-Vergewaltiger" bekannt gewordene Ghanaer erneut das Bonner Landgericht. Im Oktober wurde der abgelehnte Asylbewerber wegen besonders schwerer Vergewaltigung und räuberischer Erpressung zu elfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Der BGH hob das Urteil teilweise auf, weil das Landgericht die uneingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei festgestellt habe. Deshalb muss die Bonner Justiz diesen Punkt nun durch einen anderen Gutachter klären lassen. Verpflichtet wurde dafür die renommierte forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh, die 13 Jahre als ärztliche Direktorin der Anstalt für psychisch kranke Straftäter in Lippstadt-Eickelborn gearbeitet hat und zuletzt als Gutachterin im Fall Höxter eingesetzt war. Der Schuldspruch wird durch den neuen Prozess nicht berührt, aber die Höhe der Strafe.

X. hatte laut Urteil im April 2017 ein Studenten-Paar aus Freiburg beim Campen in der Bonner Siegaue, einer parkähnlichen Anlage, überfallen. Er schlitzte nachts ihr Zelt mit einer Astsäge auf, verlangte zunächst Geld und Wertgegenstände. Dann zwang X. die Studentin, das Zelt zu verlassen und vergewaltigte sie, während ihr Freund im Zelt ausharren musste. Der Freund konnte den Notruf wählen, geriet aber an eine Polizistin, die ihn nicht ernst nahm. X. flüchtete und wurde Tage später nach dem Hinweis einer Passantin festgenommen, DNA-Spuren überführten ihn.

Im Prozess bestritt X. jedoch die Tat, verhöhnte sein Opfer als "Prostituierte". Richter Reinhoff richtet zu Beginn des neuen Prozesses einen Hinweis an X.: Er solle "einfach nur zuhören und den Prozess nicht stören". In den drei Stunden wendet sich X. dann auch nur einmal länger an den Richter: Er beschwert sich, dass er im Gefängnis mehrmals bei der Frühstücksausgabe vergessen worden sei und kein Müsli bekommen habe: "Ich war frustriert."

Die verlesenen Erklärungen seiner beiden Opfer nimmt X. ohne sichtbare Regung zur Kenntnis. Beide hatten Todesangst in der Tatnacht, der öffentliche Prozess, das Medieninteresse und der Hass in den sozialen Netzwerken verstärkten das Leid des Paares, "sodass wir uns nicht mehr zur Urteilsverkündung nach Bonn trauten". Die Studentin hat ihr Studium unterbrochen, leidet seit der Vergewaltigung unter schweren psychischen Problemen. Die Details der Tatnacht sind kaum auszuhalten, ebenso die persönlichen Erklärungen der beiden Studenten. Das Paar ist mehrmals umgezogen und wohnt nun auf einem Aussiedlerhof. "Ich habe kein Gefühl mehr von Sicherheit, Nächte dienen nicht mehr der Erholung, sie beunruhigen mich nur noch", schreibt der Student.

Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetzt, das Urteil soll am 5. Oktober fallen.

Anmerkung der Redaktion

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