Vereitelter Anschlag auf Deutsche-Bank-Chef Ackermann:Italienische Anarchisten bekennen sich zu Briefbombe

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"Explosionen gegen Bankiers, Zecken und Blutsauger": Die italienische Gruppe FAI hat sich zu dem vereitelten Anschlag auf Ackermann bekannt - die Ermittler befürchten, dass zwei weitere Bomben verschickt worden sein könnten. In der Deutschen Bank heißt es, die Drohungen gegen den Chef hätten zuletzt immer mehr zugenommen: "Man muss sich einmal überlegen, was eine solche Personalisierung anrichten kann."

Harald Freiberger, Moritz Koch, Marc Widmann und Markus Zydra

In der Poststelle in den Zwillingstürmen der Deutschen Bank gibt es Röntgengeräte wie auf einem Flughafen. Am Mittwochvormittag lief durch eines dieser Geräte ein brauner DIN-A5-Umschlag, der an Vorstandschef Josef Ackermann adressiert war. In ihm war eine Batterie, eine Zündvorrichtung und eine Sprengladung zu erkennen. Die Sicherheitsleute alarmierten sofort die Polizei, auch die Spezialabteilung des Landeskriminalamtes (LKA) wurde verständigt, die für die Entschärfung von Bomben zuständig ist.

Am Donnerstag bestätigte die Frankfurter Staatsanwältin Doris Müller-Scheu: "Das war eine Konstruktion, die wohl funktioniert hätte" - auch wenn es sich nicht um eine gewerblich-professionelle oder gar militärische Bombe gehandelt habe. "Man muss dafür keine Sprengmeister-Ausbildung haben, aber es ist auch nicht so, dass sie jeder bauen könnte", sagte ein Sprecher des LKA. Die Bombe hätte bei demjenigen, der den Brief öffnet, "ernsthafte Verletzungen an Gesicht und Händen" verursachen können.

Zu der Tat bekannte sich die italienische Anarchistenorganisation FAI. In einem Schreiben war die Rede von "drei Explosionen gegen Banken, Bankiers, Zecken und Blutsauger". Die Ermittler befürchten daher, dass noch zwei weitere Bomben verschickt worden sein könnten. Schon öfter übernahm die linksradikale Gruppe die Verantwortung für Anschläge mit Briefbomben, so im Jahr 2003 gegen mehrere EU-Institutionen.

Nach Erfahrungen des LKA gibt es häufiger Drohbriefe gegen Politiker und Wirtschaftsführer. Äußerst selten würden Drohungen jedoch so konkret in die Tat umgesetzt. Bank und Polizei wollten die Öffentlichkeit eigentlich nicht informieren. Man habe sich in Deutschland "nur intern informiert, aber nichts nach außen gebracht", sagt die Staatsanwältin. Denn die Gefahr von Trittbrettfahrern sei "immer zu befürchten". Nach Deutschland drang die Nachricht am Mittwochabend auf dem Umweg über New York: Großbanken verfügen für den Fall von Bombendrohungen über ein internationales Informationsnetz. Auf diesem Weg wurde die Polizei in New York eingeschaltet, die Großbanken und andere Finanzinstitute zu erhöhter Wachsamkeit aufrief. Zudem verstärkte sie ihre Patrouillen vor dem Hauptquartier der Deutschen Bank in Lower Manhattan.

Die US-Behörden reagierten erstaunlich schnell auf die Meldungen aus Deutschland. Ein Sprecher der New Yorker Polizei bestätigte den Bombenfund, noch ehe die deutschen Ermittler sich geäußert hatten. Auch die Bundespolizei FBI wurde eingeschaltet. US-Fernsehsender berichteten darüber, und so erfuhren auch deutsche Medien von dem Vorfall in Frankfurt.

Dort zeigte sich die Deutsche Bank "tief betroffen über den gewalttätigen Anschlagsversuch". So etwas habe es gegen Ackermann noch nie gegeben, die Anzahl der Drohungen habe in letzter Zeit allerdings massiv zugenommen, vor allem im Internet. "Er wird für alles und jedes verantwortlich gemacht, man muss sich einmal überlegen, was eine solche Personalisierung anrichten kann", hieß es in der Bank. Ackermann, der am Mittwoch nicht in der Zentrale war, gilt für viele in Deutschland als das Gesicht des Kapitalismus. Auch bei den jüngsten Demonstrationen der Occupy-Bewegung war sein Name häufig auf Plakaten zu lesen ("Mach dich vom Acker, Mann!"). Occupy verurteilte den versuchten Anschlag "auf das schärfste", man lehne Gewalt in jeglicher Form ab.

Sprengsatz in ausgehöhltem Buch

Einen ähnlichen Vorfall gab es am 29. Dezember 2003 bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt, als eine Briefbombe im Vorzimmer des damaligen Präsidenten Jean-Claude Trichet landete. In ein ausgehöhltes Buch war ein funktionsfähiger Sprengsatz mit Batterie eingebaut. Damals durchleuchtete die Sicherheitsabteilung der EZB nur Postcontainer, nicht jedoch einzelne Briefe.

Wenige Tage zuvor war im Privathaus des EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi in Bologna ebenfalls eine Paketbombe eingegangen. Es kam beim Öffnen zu einer großen Stichflamme, Kommissionspräsident Prodi blieb unverletzt. Auch bei der EU-Ermittlungsbehörde Eurojust und bei Europol in Brüssel mussten in diesen unruhigen Dezembertagen Sprengsätze entschärft werden. Alle Briefbomben waren damals zeitgleich in Bologna aufgegeben worden. Eine linksextreme italienische Gruppe soll damals für die Anschläge verantwortlich gewesen sein.

Bei der Deutschen Bank kamen am Donnerstag auch beklemmende Erinnerungen an das Jahr 1989 hoch, als der damalige Vorstandssprecher Alfred Herrhausen einem Bombenattentat von RAF-Terroristen zum Opfer fiel. "Das ist tief im kollektiven Bewusstsein der Bank verwurzelt", sagte ein Mitarbeiter. Bei Terroranschlägen der RAF starben in den siebziger und achtziger Jahren auch Manager wie Jürgen Ponto von der Dresdner Bank, Karl Heinz Beckurts von Siemens und Ernst Zimmermann von MTU. Das letzte tödliche Attentat auf einen Wirtschaftsführer ist 20 Jahre her. Damals erschoss die RAF Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder.

© SZ vom 09.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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