Vereinigtes Königreich:Londoner Polizei sieht "alle Merkmale einer Terrorattacke"

  • Ein Transporter ist in London in eine Fußgängergruppe gefahren. Ein Mann stirbt. Offenbar ist aber unklar, ob tatsächlich die mutmaßliche Attacke die Ursache war.
  • Mehrere Menschen werden verletzt, bei den Opfern handelt es sich um Mitglieder einer muslimischen Gemeinde.
  • Ein Mann, der den Wagen gefahren haben soll, wird festgenommen.
  • Anti-Terror-Spezialisten haben die Ermittlungen übernommen.

Im Londoner Stadtteil Finsbury Park hat ein Fahrzeug gegen Mitternacht (Ortszeit) mehrere Personen gerammt. Ein Mann wurde noch am Ort des Geschehens für tot erklärt, wie die Londoner Polizei mitteilte, zehn Menschen wurden verletzt.

Ob der Tote tatsächlich infolge dieses Vorfalls starb, ist derzeit unklar. Der Mann sei bereits zuvor medizinisch versorgt worden, als der Transporter in ihn hineinfuhr, sagte der Anti-Terror-Koordinator der Londoner Polizei, Neil Basu. Ihm zufolge gehörten die Opfer alle der muslimischen Gemeinde an.

Augenzeugen hatten berichtet, ein Kleintransporter habe die Straße verlassen und sei in die Gruppe vor dem Gebetshaus gefahren. Die Opfer hatten gerade das Ritualgebet Tarawih beendet, das in den Nächten des Fastenmonats Ramadan stattfindet.

Anti-Terror-Spezialisten ermitteln

Premierministerin Theresa May bezeichnet den Vorfall als Terrorattacke. Die Ermittlungen wurden dementsprechend von Anti-Terror-Spezialisten übernommen. Der Vorfall habe "alle Merkmale einer Terrorattacke", sagte Anti-Terror-Koordinator Basu dem britischen Guardian zufolge. Scotland-Yard-Chefin Cressida Dick kündigte an, dass zusätzliche Beamte im Einsatz sein würden, auch in der Nähe von muslimischen Einrichtungen. Londons Bürgermeister Sadiq Khan bezeichnete den Vorfall als "schrecklichen Terrorangriff". Das Ziel der vorsätzlichen Tat seien "unschuldige Londoner" gewesen, von denen viele gerade "ihre Gebete im heiligen Monat Ramadan beendet hatten", schrieb er in einem Eintrag auf seiner Facebookseite.

Die Bundesregierung verurteilte die Attacke. Regierungssprecher Stefan Seibert sagte, die Hintergründe der Tat seien zwar noch nicht geklärt - es spreche aber einiges dafür, dass es eine "Tat aus blindem Hass" sei. "Das würde es einreihen in die terroristischen Taten der letzten Wochen und Monate", sagte Seibert.

Der 48 Jahre alte Fahrer des Wagens wurde der Polizei zufolge von Umstehenden festgehalten und dann festgenommen. Er sei zunächst in ein Krankenhaus gebracht worden. Er werde dort auch auf seine geistige Zurechnungsfähigkeit hin untersucht. Basu zufolge steht er unter Mordverdacht. Bei dem Tatverdächtigen handle es sich um einen weißen Mann, sagte May.

Ein Augenzeuge erklärte gegenüber Buzzfeed, dass der mutmaßliche Fahrer des Kleintransporters "Ich will alle Muslime umbringen" und "bringt mich um, bringt mich um" gerufen habe. Fotos in den sozialen Medien zufolge trägt der Transporter das Logo einer Fahrzeugvermietung. Britischen Medien zufolge soll der Imam einer benachbarten Moschee den Fahrer vor Übergriffen wütender Umstehender geschützt haben. Die BBC zitiert einen Augenzeugen, wonach der Fahrer bei seiner Festnahme Luftküsse verteilt habe. "Er wusste ganz genau, was er tut."

Derzeit gebe es keine Hinweise auf weitere Verdächtige, teilte die Polizei über Twitter mit. Neil Basu teilte mit, dass der Festgenommene allein in dem Fahrzeug gewesen sei. Augenzeugen hatten dem britischen Guardian zufolge zuvor berichtet, sie hätten gesehen, wie drei Personen aus dem Transporter gestiegen seien.

Seit März rasten in London bereits zwei Mal Fahrzeuge in Fußgängergruppen und töteten Menschen. Es handelte sich dabei jeweils um islamistische Terror-Anschläge. Diesmal scheint sich der mögliche Anschlag jedoch gegen Muslime gerichtet zu haben.

Der Britische Muslimrat (MCB) sprach der BBC zufolge davon, der Transporter sei offenbar "absichtlich" in die Gruppe der Gläubigen gelenkt worden. Es handle sich um eine "gewalttätige Manifestation von Islamophobie". Premierministerin Theresa May nannte die Attacke den "widerlichen" Versuch, Freiheiten wie die Religionsfreiheit zu zerstören. Das Land werde sich durch die Tat aber nicht spalten lassen.

Das Muslim Welfare House, vor dem die Attacke stattfand, verurteilte den Angriff, warnte aber vor voreiligen Schlüssen. "Wir haben über Jahrzehnte sehr hart für eine friedliche und tolerante Gemeinschaft hier in Finsbury Park gearbeitet und verurteilen schärfstens jeden Akt des Hasses, der versucht, unsere wunderbare Gemeinschaft zu spalten", heißt es in einer im Internet veröffentlichten Mitteilung. Die Verantwortlichen riefen zur Ruhe auf: "Spekulationen über den Vorfall sind nicht hilfreich. (...) Die Polizei sollte Zeit bekommen, ihren Job zu machen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: