Stilkritik:Van der Bellen fährt Zug

Was für ein großes Bild: Der österreichische Bundespräsident, allein am Wiener Hauptbahnhof. Eine Stilkritik zur gretahaften Mobilität des grünen Staatsoberhauptes.

Von Martin Zips

Bedeutende Politiker als Bahnreisende, da gibt es viele Beispiele von Berlin bis Pjöngjang. Nur, dass es noch nie so cool aussah wie jetzt bei Alexander Van der Bellen.

Der Mann ist ja immerhin österreichischer Bundespräsident, hätte also schon ein bisserl mehr Entourage und Security verdient, auf seiner Reise von Wien nach Meran. Dort galt es die Annahme des Südtirol-Pakets vor genau 50 Jahren zu feiern, ein weltweites Vorzeigemodell für gelungenes Zusammenleben. Das - einfache - Prinzip: leben und leben lassen!

Der grüne Bundespräsident nahm sich also seinen mit rot-weiß-rotem Band markierten Rollkoffer und brauste gretahaft in die autonome italienische Provinz. Zuvor ließ er sich noch beim Schlendern über den rauchfreien Wiener Bahnsteig fotografieren. Fürs Facebook-Posting.

Wer jemals versucht hat, mit seinem schwankenden Rollkoffer in letzter Sekunde rennend den Anschlusszug zu erreichen, erkennt sofort, wie viel demonstrative Ruhe in diesem wirklich großen Bild steckt. Ganz passend steht der Van der Bellen, 75, dazu unter dem Schild zum Ausgang "Südtiroler Platz". Im Internet wurde das Foto zu Recht zum Renner.

Sorgen macht man sich allein um das Wohlbefinden des Staatsoberhauptes. Wo und wann, das ist die Frage, hat man dem leidenschaftlichen Raucher auf seiner quälend langen Reise endlich seine erste Zigarette gereicht? Heißt es nicht: leben und leben lassen? Eben.

Diese Stilkritik ist zuerst am 25. November 2019 in der SZ erschienen.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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