"Vatileaks" bringt interne Dokumente ans Licht:Der Vatikan sucht seinen Maulwurf

Es klingt wie der Plot aus einem Roman von Dan Brown: Italienische Medien wollen interne Dokumente aus dem Vatikan erhalten haben, die auf ein Mordkomplott gegen den Papst hinweisen. In anderen Interna werden Vertraute von Benedikt XVI. gezielt diskreditiert. Wer steckt hinter den "Vatileaks"? Tobt ein Machtkampf im Kirchenstaat?

Andrea Bachstein, Rom

Von Wölfen, die den Papst umschleichen, ist derzeit in Rom die Rede, andere sehen schwarze Krähen über dem Vatikan kreisen. Der Papst soll 2009 während einer Messe auf dem Petersplatz eine Teufelsaustreibung vorgenommen haben. Und auch über ein Mordkomplott gegen Benedikt XVI. war dieser Tage in italienischen Zeitungen zu lesen.

Papstsprecher Padre Federico Lombardi hat das wie folgt bewertet: Als "so absurd und unseriös, dass ich es nicht einmal kommentieren will". Andere Vorgänge und Berichte findet man im Vatikan weniger lächerlich. Sie scheinen mit Maulwürfen zu tun zu haben. Denn ganz entgegen der sonst strikten Diskretion der Kurie und der päpstlichen Amtsstuben dringen in den vergangenen Wochen vertrauliche Papiere aus vatikanischen Ministerien an die Öffentlichkeit.

Entsprechend zog der Jesuit Lombardi die Parallele zu Wikileaks und nannte das Phänomen spöttisch "Vatileaks". Wie schon bei der Web-Plattform von Julian Assange, deren Veröffentlichung von Geheimdepeschen vor allem die US-Regierung blamierte, ist es weniger der Inhalt, der spannend ist. Spannender ist der Vorgang an sich: Wie geraten die Dokumente aus dem Vatikan an die Medien? Und wer profitiert davon?

Auf Deutsch verfasstes Papier

Da war das von einem Unbekannten auf Deutsch verfasste Papier, in dem es hieß, Papst Benedikt werde die kommenden zwölf Monate nicht überleben und versuche schon einen Nachfolger aufzubauen. Das habe Palermos Kardinal Romeo während einer Chinareise gesagt. Im Januar hatte der greise kolumbianische Kardinal Darío Castrillón Hoyos dem Papst eine Aktennotiz zu diesen Gerüchten übergeben. Die erschien dann wenige Wochen darauf als Faksimile in der eher linken italienischen Tageszeitung Il Fatto Quotidiano.

Romeo dementiert, dass er Derartiges gesagt hat, und im Vatikan hält man die ganze Sache offenbar für lachhaft. Aber irgendwie war der Vorgang eben aus dem Inneren des Staatssekretariats gedrungen, der Regierungszentrale des Vatikan. Genau wie zuvor die beiden vertraulichen Schreiben des päpstlichen Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò.

"Es steht Wichtiges auf dem Spiel"

Der ist noch nicht lange in Washington und war zuvor in Rom Generalsekretär des "Governatorato", also praktisch Premierminister der Vatikanstadt. Deshalb kennt er sich aus mit der dortigen Verwaltung. Er hatte in den Briefen Verschwendung, Filz und Korruption angeprangert, die es in der Finanzverwaltung des Vatikanstaats gebe. So erwähnt Viganò eine finanzielle Aktion im Dezember 2009, "die uns zweieinhalb Millionen Dollar kostete".

Viganò beschwert sich in den Briefen auch, es gebe Kräfte, die ihn loswerden wollten, weil er gegen solche Missstände vorgegangen sei. Zum großen Ärger des Vatikan berichtete der italienische Sender La7 ausführlich über die Interna aus den Briefen Viganòs.

Und auch bei einer anderen Indiskretion aus dem Inneren des Vatikan ging es ums Geld. Die ehemals kommunistische Zeitung L'Unità folgerte aus internen Dokumenten, das vatikanische Geldinstitut Istituto per le Opere di Religione (IOR) verweigere die Zusammenarbeit mit weltlichen Behörden. Es gebe dort weiterhin Geldwäsche.

Umgehend musste Vatikansprecher Lombardi wieder dementieren: Die vatikanische Finanzaufsicht AIF kooperiere mit der italienischen Finanzaufsicht, was auch dokumentiert sei. Tatsächlich hat der Vatikan seit Frühjahr vergangenen Jahres die internationalen Richtlinien gegen Geldwäsche und für Transparenz übernommen.

Ziemlich intransparent erscheint dagegen die Serie der Vatileaks. Auch die wenigen im Vatikan, die sich sonst manchmal hinter vorgehaltener Hand äußern, wollen derzeit lieber schweigen. Wenn doch Spekulationen laut werden, geht es um Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, praktisch die Nummer zwei und quasi Außenminister des Vatikan. Er soll bloßgestellt werden, heißt es. Die Informationslecks sollten offenlegen, dass er die Regierungsbehörde des Vatikan nicht unter Kontrolle habe.

Dass den großgewachsenen Kardinal nicht alle im Kirchenstaat mögen und für besonders geeignet als Chefdiplomat halten, ist nicht neu. Und weil der 67-jährige Bertone ein Mann des Papstes ist - früher war er als Sekretär die rechte Hand von Joseph Ratzinger in der Glaubenskongregation - nährt das Spekulationen, dass die Maulwürfe auch dem Papst selbst schaden wollen. Denn wenn sein zweiter Mann die Vatikan-Regierung nicht gut unter Kontrolle haben sollte, dann ließe sich daraus folgern, dass auch der erste Mann im Vatikan seinen Staat nicht unter Kontrolle hat.

Auch wenn es erstaunlich klingt: beide, Bertone und Benedikt, gelten als nicht besonders gut vernetzt im Vatikan. Es gebe Leute, die solche Informationen "auf illoyale Weise" nach außen tragen, sagte Padre Lombardi auf Radio Vatikan zu den Indiskretionen. Und dann gebe es Medien, die sie nutzen - "sicher nicht aus reiner Liebe zur Wahrheit".

Außerdem, so Lombardi, seien diese Vorgänge ein Hinweis darauf, "dass Wichtiges auf dem Spiel steht". Er wies auf die vom Papst und der Kirche unternommenen Reformen und die Erneuerung ihrer Linie im Zusammenhang mit den Missbrauchsskandalen hin. Und auch auf den Kurs des Vatikan, Geldwäsche und Korruption über seine Finanzeinrichtungen zu unterbinden.

Die einen schließen daraus, dass ein veritabler Machtkampf im Gang ist zwischen alten Kräften und Reformern - deren oberster eben kein Geringerer als der Papst höchstpersönlich ist. Und für die anderen ist es: lachhaft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: