"Vatileaks"-Affäre:Kammerdiener des Papstes vor Gericht

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Er ist beschuldigt, vertrauliche Dokumente aus dem Büro des Papstes gestohlen zu haben, die dann in den Medien gelandet sind. "Paoletto", der ehemalige Kammerdiener von Benedikt XVI., ist Schlüsselfigur der "Vatileaks"-Affäre - und steht seit heute vor dem Gericht des Vatikanstaats.

Andrea Bachstein, Rom

Ohne dass der Haupangeklagte zu Wort kam, hat am Samstagmorgen der Prozess gegen den ehemaligen Kammerdiener des Papstes begonnen. Der 46-jährige Paolo Gabriele ist beschuldigt, vertrauliche Dokumente aus dem Büro von Benedikt XVI. gestohlen zu haben, die dann in den Medien gelandet sind. Er ist Schlüsselfigur der Affäre, die als "Vatikleaks" in den vergangenen Monaten weltweit Schlagzeilen gemacht und viele Spekulationen um Machtkämpfe im Reich des Papstes ausgelöst hat.

Pünktlich um 9.30 Uhr erklärte der Vorsitzende Richter Giuseppe Dalla Torre die Verhandlung in dem kleinen Gerichtssaal des Justizgebäudes hinter den vatikanischen Mauern für eröffnet. Nicht erschienen war der zweite Angeklagte Claudio Sciarpelletti - aus nicht vorhersehbaren Gründen, wie sein Anwalt erklärte, und das Prozessrecht lässt es zu, ohne ihn zu verhandeln.

Sciarpelletti, der als Computertechniker im Staatssekretariat des Kirchenstaats arbeitet, wird "Begünstigung" vorgeworfen. Ein Jahr Haft droht ihm im Höchstfall dafür, weil er ein an Paolo Gabriele adressiertes Kuvert mit Schriftstücken in seiner Büroschublade aufbewahrte. Der treulose Kammerdiener, Vater von drei Kindern, muss bei Verurteilung hingegen wegen "schweren Diebstahls" mit bis zu vier Jahren Gefängnis rechnen.

Ab und zu ein Lächeln

Gut drei Monate Hausarrest hat er nun hinter sich und zwei Monate U-Haft in einem der vatikanischen Arresträume. Etwas blass, und ziemlich angespannt, aber insgesamt sehr gefasst wirkt "Paoletto", der neun Minuten vor Verhandlungsbeginn im Gerichtssaal erscheint. Ein schmaler Mann, tadellos gekleidet mit einem mittelgrauen Anzug, gleichfarbiger Seidenkrawatte und weißem Hemd, nimmt er Platz auf der Anklagebank an einer Längsseite des Saals.

Er schaut von seinem Platz auf ein Foto des Heiligen Vaters an der Wand gegenüber. Später, in einer Beratungspause der Richter, wird er ein bisschen lockerer, zeigt ab und zu ein Lächeln, als er mit seiner Anwältin scherzt.

Acht Zeugen sind aufmarschiert, allesamt in dunkelblauen Anzügen, allesamt gehören sie der Gendarmerie des Vatikanstaats an, und auch sie kommen nicht zu Wort an diesem Tag. Nicht gekommen sind die Zeugen Georg Gänswein, der persönliche Sekretär des Papstes, auch nicht eine der Mitarbeiterinnen des päpstlichen Haushaltes und auch nicht ein Geistlicher, der Mitarbeiter des Staatssekretariats ist.

Das am 27. September vom L'Osservatore Romano veröffentlichte Foto zeigt den Innenraum des Gerichts im Vatikan. (Foto: dpa)

Einen solchen Prozess hat es noch nie gegeben am Gericht des Vatikanstaats, das sonst etwa 30 Mal im Jahr mit kleineren Vergehen wie Taschendiebstählen zu tun hat. Acht Journalisten sind zugelassen, dazu zwei Vertreter der vatikaneigenen Medien. Nur letztere dürfen zu Beginn der Sitzung ein paar Bildaufnahmen machen, ansonsten sind keine Telefone und Aufzeichnungsgeräte zugelassen. Gerade 18 Zuhörerplätze fasst der Saal, Angehörige Gabrieles sind nicht gekommen, nur ein paar Mitarbeiter von Vatikanbehörden.

Es geht an diesem Tag um prozesstechnische Fragen, und es zeigt sich, dass die großen Medienerwartungen nicht abfärben auf das Verhandlungsklima, alles verläuft sehr sachlich und gelassen. Die drei Richter sind renommierte italienische Juristen, die als Professoren und Anwälte tätig sind, und bei Bedarf auch an diesem Tribunal.

Eines der wichtigeren Resultate dieses ersten Tages ist es, dass sie dem Antrag von Sciarpelletis Anwalt Gianluca Benedetti stattgeben, das Verfahren gegen seinen Mandanten abzutrennen vom Prozess gegen den Ex-Kammerdiener. Auch dessen Anwältin Cristina Arru stellt mehrere Anträge. Sie betreffen die Kompetenz des Gerichts, einzelne Aktenstücke und Aussagen, die nicht verwendet werden sollen.

In Frage stellt sie zudem, dass eine Beobachtungskamera im Treppenhaus von Gabrieles Wohnhaus in der Vatikanstadt installiert werden durfte und sie beantragt, dass ein bei Paolo gefundenes Goldstück aus den päpstlichen Räumen auf Fingerabdrücke untersucht wird. Und außerdem will sie, dass auch die Zeugen vor diesem Gericht vernommen werden, mit denen die drei Kardinäle der vom Papst eingesetzten Untersuchungskommission gesprochen haben.

Nach einer 80 Minuten währenden Beratungspause der drei Richter wird dies nicht zugelassen, denn so Dalla Torre: diese Kommission unterliegt dem Kirchenrecht, sie berichtet nur dem Papst. Hier aber gehe es um das weltliche Recht im Kirchenstaat. Einigen Anträgen von Paolos Anwältin folgen die Richter, aber Überwachungskamera an Gabrieles Wohnsitz war korrekt vom Staatsanwalt genehmigt, stellen sie fest.

Auch wird das Goldstück wird nicht untersucht - zu viele Leute, so der Vorsitzende Richter, hatten es schon in den Händen, als dass Fingerabdrücke darauf etwas beweisen könnten. Dieses Goldstück - ein Geschenk an den Papst - wurde in Gabrieles Wohnung gefunden, auch eine Ausgabe der Aenas-Sage von 1581 und ein Scheck über 100.000 Euro.

Deckname "Maria"

Doch diese Gegenstände, das lässt der Promotore Della Giustizia, Nicola Picardi, Staatsanwalt des Vatikan, deutlich verstehen, haben ohnehin keine große Bedeutung für den Prozess. Ihm geht es um das, was an vertraulichen Dokumenten oder Kopien solcher Papiere unter dem Material war, das die Vatikangendarmerie in 82 Kartons aus Gabrieles Wohnung getragen hat, wohin er es nie hätte bringen dürfen.

Im Mai war er festgenommen worden, und hat bei Vernehmungen ausgesagt, er habe so gehandelt, um gegen das "das Böse und Korruption" innerhalb der Kirche vorzugehen. "Maria" hat ihm als Decknamen der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi gegeben, der viele der Dokumente, die er über Gabriele bekam, in einem Buch veröffentlichte. Doch ob der Kammerdiener, ein schlichtes Gemüt und dem Papst in sechs Jahren Dienst sehr ergeben, wirklich keine Auftraggeber höheren Orts hatte, bezweifeln viele.

Am kommenden Dienstag beginnt die zweite Verhandlung, dann soll Paolo Gabriele aussagen.

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