Süddeutsche Zeitung

Vatikan rüffelt US-Ordensschwestern:Zähmung der Widerspenstigen

Amerikanische Nonnen machen sich zum Sprachrohr des Feminismus? Zu diesem Schluss kommt zumindest eine vom Vatikan in Auftrag gegebene Untersuchung von Frauenorden in den USA. Die Ordensschwestern sollen sich nicht ausreichend gegen Homo-Ehe, Abtreibung und Frauen im Priesteramt stark gemacht haben - dafür aber öffentlich herrschende Kirchenmeinung angezweifelt haben.

Johanna Bruckner

Angeleitet von Schwester Mary Clarence (alias Barsängerin Deloris van Cartier alias Whoopi Goldberg), stimmen die Nonnen von St Katherine's am Ende von Sister Act den Song I Will Follow Him an. Feierlich und selig lächelnd intonieren die Damen in schwarz-weißer Ordenstracht zunächst die Liedzeilen: I will follow Him, follow Him wherever He may go. Ich werde Ihm - gemeint ist: Gott - folgen, wo auch immer Er hingehen mag. Soweit, so kirchenkonform.

Doch Hollywood folgt nun mal anderen Regeln als der Heilige Stuhl und so ist der Song - am bekanntesten ist wohl die Version von Little Peggy March aus dem Jahr 1963 - kein klassisches Kirchenlied. Die Schwestern werden nicht von einer Orgel, sondern einem Klavier begleitet. Im Laufe des Liedes werden aus zurückhaltenden Chorsängerinnen schunkelnde, aus vollem Halse schmetternde Bühnenprofis. Und am Ende erhebt sich der Papst und spendet seinen gar nicht mehr so braven Schäfchen Beifall.

Spätestens an dieser Stelle ist klar: Mit der kirchlichen Realität hat der Kinofilm aus dem Jahr 1992 wenig gemein. Denn Ordensschwestern, das impliziert schon der Name, haben sich durch Linientreue hervorzutun. Weichen sie in der Realität von dem ab, was Rom vorschreibt, gibt es keinen Applaus, sondern eine Abmahnung. Diese Erfahrung musste jetzt die "Leadership Conference of Women Religious" (LCWR) machen, die wichtigste Dachorganisation katholischer Nonnen in den USA.

Der Vatikan ist besorgt

Die LCWR mache sich öffentlich nicht ausreichend stark gegen die Homo-Ehe, Abtreibung und Frauen im Priesteramt, heißt es nach einem Bericht der Washington Post in einem jüngst veröffentlichten Papier aus dem Vatikan. Und weiter: Die aktuelle Situation von Lehre und Seelsorge in der LCWR sei "besorgniserregend".

Zwei Jahre lang hatte der Erzbischof von Seattle, Peter Sartain, Führung und Programm des Verbandes einer Prüfung unterzogen, auf Geheiß der Kongregation für die Glaubenslehre. Hintergrund der umstrittenen Untersuchung waren vor allem die seit den siebziger Jahren kontinuierlich sinkenden Mitgliederzahlen in weiblichen Orden.

Die vatikanische Glaubenskongregation wurde im 16. Jahrhundert von Papst Paul III. ins Leben gerufen und soll die katholische Kirche vor abweichenden Glaubensvorstellungen schützen. Mit der Einsetzung von Papst Benedikt XVI. 2005 hat das Gremium erneut an Bedeutung gewonnen. Der Pontifex stand vor seiner Ernennung lange Jahre an der Spitze der Glaubenswächter und setzt diese im Rahmen seines als reaktionär geltenden Kurses nun offenbar gezielt ein, um vermeintliche Abweichler und Querköpfe zur Räson zu rufen.

Tatsächlich will Sartain dann auch Gefahren für den rechten Glauben unter dem Dach des Nonnen-Verbandes ausgemacht haben. Besonders kritisch sieht der Erzbischof von Seattle die Arbeit von "Network", eine Anfang der achtziger Jahre von katholischen Ordensfrauen gegründeten Lobbygruppe für soziale Gerechtigkeit. Zwar habe die LCWR großartige Arbeit darin geleistet, Fragestellungen der sozialen Gerechtigkeit in Harmonie mit den sozialen Glaubensätzen der Kirche voranzubringen, schreibt Sartain, aber zum "Recht auf Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod" hätten die Schwestern geschwiegen. Und mehr noch: Die LCWR habe in der Vergangenheit "entscheidende" Positionen der Kirche bei den Themen Familie und Sexualität öffentlich angezweifelt.

Die LCWR und Network hatten gemeinsam mit der Catholic Health Association die umstrittene Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama unterstützt - gegen den Willen der Bischöfe. Diese hatten eingewandt, die Reform ermögliche staatlich finanzierte Abtreibungen. Den Zorn einiger ihrer männlicher Glaubensbrüder zogen die Nonnen jüngst auch auf sich, als sie einen Kompromiss befürworteten, der vorsieht, dass Krankenversicherungen für die Empfängnisverhütung von Angestellten in kirchlichen Organisationen aufkommen.

Feministische Schwestern?

Die Selbstbestimmung der Frau scheint dem wie ein moderner Inquisitor auftretenden Sartain generell ein Dorn im Auge zu sein. An anderer Stelle merkt er kritisch an: Die LCWR habe Konferenzen finanziert, die zur "Verbreitung gewisser radikaler feministischer Themen", beigetragen hätten, "die mit dem katholischen Glauben unvereinbar sind."

Die LCWR versuchte umgehend, den Vorwurf zu entkräften, sie betreibe anti-dogmatische Öffentlichkeitsarbeit: Man lade nicht bewusst Redner ein, die sich gegen die Lehre der Kirche wendeten - und außerdem mache sich die LCWR deren Positionen nie zu eigen. Der Vatikan befand diese Rechtfertigung für "unzureichend" und nicht von den Fakten gedeckt.

Tatsächlich widmen sich insbesondere die katholischen Ordensfrauen in den USA traditionell vor allem karitativen und erzieherischen Tätigkeiten: Sie betreiben soziale Dienste, Krankenhäuser, Kinderheime und Schulen. Moralische und Glaubensfragen zu diskutieren und zu entscheiden, war lange alleinige Sache der Kirchenmänner. Dass sich weibliche Geistliche öffentlich positionieren, noch dazu in brisanten Fragen, ist neu.

Amerikanische Nonnen als Sprachrohr des Feminismus? Eine Vorstellung, die nicht zuletzt US-Frauenrechtlerinnen lachhaft finden. Spöttisch schreibt Cassie Murdoch auf dem feministischen Blog Jezebel: Amerikanische Nonnen seien ja bekannt dafür, "ein Bund lockerer Party-Schwestern" zu sein. Und fragt weiter: "Jetzt reicht es also nicht mehr, gegen Dinge eingestellt zu sein, die die Kirche ablehnt? Du musst auch aufstehen und es herausschreien?"

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