Vatikan:Intrige gegen den Papst

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  • Der frühere Vatikan-Botschafter in den USA, Erzbischof Carlo Maria Viganò, hat Papst Franziskus schwere Vorwürfe gemacht.
  • Im Zusammenhang mit mutmaßlichem Missbrauch durch den US-Kardinal Theodore McCarrick wirft Viganò Franziskus vor, die Anschuldigungen gegen McCarrick ignoriert und Strafmaßnahmen gegen den Geistlichen aufgehoben zu haben.
  • Viganò fordert sogar die Abdankung des Papstes. Franziskus will sich dazu nicht äußern.

Von Oliver Meiler, Rom

In der anekdotenreichen Geschichte des Vatikan ist es immer wieder vorgekommen, dass Prälaten mit allzu großen Ambitionen ihre enttäuschten Karrieregelüste zum Anlass nahmen, Intrigen zu streuen. Ist ja nur menschlich. Vielleicht ist auch der jüngste Fall so gelagert, er ist in jeder Beziehung spektakulär.

Carlo Maria Viganò, Erzbischof aus dem norditalienischen Varese, 77 Jahre alt, fordert den Papst, seinen Chef, sehr direkt zum Rücktritt auf. Viganò wirft Franziskus vor, der wisse seit mindestens fünf Jahren von den sexuellen Übergriffen des mittlerweile abgesetzten amerikanischen Kardinals Theodore McCarrick und habe trotzdem lange nichts gegen diesen unternommen, ihn zuweilen sogar als Sonderberater beigezogen. Elf Seiten umfasst die Klageschrift des Bischofs, sie ist voll prominenter Namen, böser Unterstellungen: alles sehr brisant, gerade in diesen Zeiten, da die Spitze der katholischen Kirche von Missbrauchsfällen belastet wird. Was im Rapport allerdings fehlt, sind dokumentierte Beweise.

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Kurz vor Franziskus' Irland-Besuch aber fordern Opfer-Vertreter wie auch Dublins Erzbischof mehr als nur eine Entschuldigung.

Auf seiner Rückreise aus Irland wurde Franziskus von den mitgereisten Journalisten gefragt, was er denn von dem Bericht halte. "Ich werde kein Wort dazu sagen", antwortete der Papst, das "Communiqué" spreche für sich. "Als Journalisten können Sie sich sicher einen Reim darauf machen." Und genau das tun nun die "Vaticanisti", wie man die ständig akkreditierten Vatikanexperten in Rom nennt, die sich nur mit Kirchenfragen beschäftigen. Kurios erscheint ihnen das Timing für Viganòs Anschuldigung: Die Reise nach Irland war für den Papst eine der schwierigsten seiner bisherigen Amtszeit; sie sollte wohl noch zusätzlich befrachtet werden. Publiziert wurde Viganòs Vorwurf von papstkritischen, traditionalistischen Zeitungen in den USA und Italien, dem konservativen National Catholic Register und dem rechten Blatt La Verità.

Viganò, so erzählen es die "Vaticanisti", verkehrt seit seiner unfreiwillig frühen Pensionierung vor zwei Jahren rege in jenen Kreisen, unter militanten Anti-Bergoglianern, die den argentinischen Papst lieber heute als morgen zum Teufel jagen würden. Bei Viganò ist dieser Wunsch noch eher frisch, eine Weile hoffte er wohl auf eine späte Berufung durch Franziskus. Seine Laufbahn führte Viganò von der Apostolischen Nuntiatur in Nigeria über das Sekretariat im Governatorat, der Staatsverwaltung der Vatikanstadt, zur Nuntiatur in Washington D.C. Die Entsendung in die USA 2011 kam ihm wie ein Affront vor, wie er seinem damaligen Chef, Papst Benedikt XVI., in einem Brief mitteilte - als "Strafversetzung". Der Diplomat soll damals davon geträumt haben, stattdessen Kardinal und Staatssekretär zu werden, so etwas wie Regierungschef des Vatikan, die politische Nummer zwei der Kirche. Es sollte nicht sein.

Kurz darauf begann der Skandal über Missstände in der Kurie, den die Welt als "Vatileaks" kennenlernen sollte und an dessen Ende, mehr oder weniger direkt, Benedikts Rücktritt stand. Der Brief mit dem Lamento Viganòs über die Entsendung war einer der Auslöser. Danach sorgte der Butler des Papstes dafür, dass noch mehr Schreiben und Interna an die Öffentlichkeit gerieten.

Als dann Jorge Mario Bergoglio Papst wurde, hoffte Viganò auf die Erfüllung seines alten Traums. Er bat um einen Termin im Vatikan. Im unmittelbaren Anschluss an das Treffen sagte der Bischof, der Papst sei "extrem nett, extrem warmherzig" gewesen. Heute schildert Viganò das Treffen jedoch als "frostig" und behauptet, er habe den Papst damals vor McCarrick gewarnt. Es gebe eine "dicke Mappe" mit belastendem Material gegen den Kardinal, habe er Franziskus erzählt, McCarrick habe sich an Generationen von Seminaristen und Priestern vergangen.

Wie das Gespräch der beiden genau ablief, wird man wohl nie erfahren: Privataudienzen sind vertraulich. Was man aber weiß: Die Rede war immer von volljährigen Männern, die McCarrick sexuell bedrängt haben soll. Als nun vor Kurzem auch der Fall eines Minderjährigen bekannt geworden war, an dem sich McCarrick zu seiner Zeit als Priester in New York vergangen haben soll, hat Franziskus dem mittlerweile 88-jährigen Kardinal die Amtsweihe sofort entzogen, was seit Menschengedenken nicht mehr vorgekommen ist.

Andrea Tornielli, Vatikanist der Zeitung La Stampa, schreibt in seinem Blog "Vatican Insider": "Viganò hat nie verdaut, dass er von Benedikt aus dem Vatikan entfernt wurde und dient nun als Speerspitze in der Schlacht der 'Anti-Francesco'." Franziskus schickte ihn früher in den Ruhestand, als es Viganò lieb war. Nicht nur das: Er beschied ihm bei der Gelegenheit, er möge sich bei seiner Rückkehr aus Washington an seinem Bischofssitz in Varese niederlassen, in der Provinz also, fernab von Rom.

© SZ vom 28.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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