Süddeutsche Zeitung

Vatikan:Erfolg des Populismus erinnert Franziskus an Deutschland 1933

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Papst Franziskus warnt vor den populistischen Kräften, die derzeit in Europa an Einfluss gewinnen. In Krisenzeiten bestehe die Gefahr, dass ein "Heilsbringer" gesucht werde. Von ihm werde erwartet, dass er den Menschen ihre Identität zurückgebe und sie gegen andere Völker mit Mauern abschirme, sagte das katholische Kirchenoberhaupt der spanischen Tageszeitung El País. Eine solche Abschottung sei "sehr schlimm".

Er zog einen Vergleich zwischen der Gegenwart und dem Deutschland des Jahres 1933. In der Weltwirtschaftskrise sei Deutschland ruiniert gewesen. "Hitler hat nicht die Macht geklaut. Er wurde von seinem Volk gewählt, und danach hat er sein Volk zerstört", sagte der Papst. "Darin liegt die Gefahr. Das Urteilsvermögen funktioniert in Krisenzeiten nicht." Daher sei Dialog in solchen Zeiten sehr wichtig.

Mit Blick auf den neuen US-Präsidenten Donald Trump rief Papst Franziskus die Welt zur Besonnenheit auf. Niemand sollte "sich erschrecken oder sich freuen über etwas, was passieren könnte", sagte er. "Warten wir ab, was er macht, und danach wird bewertet". Vor einem knappen Jahr hatte Franziskus Trump scharf kritisiert: Dieser sei "kein Christ", wenn er sage, er wolle eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten.

"Wir erleben einen Dritten Weltkrieg in kleinen Stückchen"

Papst Franziskus bereiten die Entwicklungen auf der Welt Unbehagen: "Wir erleben zur Zeit einen Dritten Weltkrieg in kleinen Stückchen. Und in jüngster Zeit redet man über einen möglichen Atomkrieg als würde es sich um ein Kartenspiel handeln. Man spielt Karten. Und das bereitet mir die größten Sorgen."

An die europäischen Staaten appellierte der Papst, mehr zu tun, um Flüchtlinge zu integrieren. "Das Problem ist: Wir nehmen diese Menschen auf, geben ihnen Unterkunft", sagte Franziskus. Italien und Griechenland hätten hier beispielhaft gehandelt. "Aber wir müssen einen Prozess der Integration beginnen", forderte der Papst. Sonst riskiere Europa die Bildung von Ghettos wie etwa in Belgien.

Jedes Land habe das Recht, seine Grenzen zu kontrollieren, sagte Franziskus. Die von Terrorismus oder anderen Gefahren bedrohten Staaten "noch mehr". Aber kein Land habe das Recht, seinen Bürgern den Dialog mit den Nachbarn zu verwehren.

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