Vatikan-Bericht:Benedikt XVI. entließ Hunderte Priester wegen Missbrauchsvorwürfen

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In der Amtszeit des zurückgetretenen Papstes Benedikt XVI. wurde der systemtische Missbrauch von Kindern und Jugendlichen unter dem Dach der katholischen Kirche bekannt.

(Foto: dpa)

Erschütternde Zahlen: Ein Vatikan-Bericht dokumentiert 800 Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch durch katholische Geistliche allein in den Jahren 2011 und 2012. Ein UN-Komitee kritisiert die immer noch mangelnde Transparenz der Kirche im Umgang mit dem Thema.

Zunächst hatte Federico Lombardi die Zahl dementiert: Die Daten - erstmals veröffentlicht von der Nachrichtenagentur AP - seien falsch gelesen worden, erklärte der Vatikansprecher. Dann musste er doch einräumen: Allein in den Jahren 2011 und 2012 entließ der damalige Papst Benedikt XVI. 400 Priester wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs. Damit wurden in diesen Jahren mehr als doppelt so viele Kirchenmänner wegen solcher Vorwürfe geschasst wie in den Jahren 2008 und 2009. Experten erklären sich den Sprung mit der öffentlichen Aufmerksamkeit für das Thema.

Wie die BBC unter Berufung auf AP weiter berichtet, seien 2011/2012 weitere 400 Fälle von Kindesmissbrauch durch katholische Geistliche vor ein Kirchentribunal gebracht oder von der Verwaltung bearbeitet worden.

Die jetzt bekanntgewordenen Zahlen stammen aus einem Vatikan-Bericht, der Missbrauchsfälle unter dem Dach der katholischen Kirche dokumentiert. Seit 2009/2010 bekannt geworden war, dass in Einrichtungen der Kirche über Jahrzehnte ein systematischer Missbrauch von Kindern und Jugendlichen stattgefunden hatte, bemüht sich der Heilige Stuhl um Aufklärung - zumindest nach außen hin.

Mangelnde Transparenz

Am Donnerstag hatte im Schweizerischen Genf die erste öffentliche Anhörung zu diesem Thema vor dem UN-Komitee für die Rechte des Kindes stattgefunden. Dort kritisierten Mitglieder des Gremiums, der Vatikan mache Missbrauchsfälle nach wie vor nicht ausreichend transparent. So weigere sich der Kirchenstaat, die von den UN geforderten genauen Angaben zu Umfang des Skandals und zu Tätern zu machen.

Der Gesandte des Heiligen Stuhls bei den UN, Erzbischof Silvano Tomasi, betonte, der Vatikan gehe mit aller Kraft gegen den Missbrauch von Kindern vor. So habe der Papst eigens die Bildung einer Kommission für den Schutz von Minderjährigen veranlasst. Sie werde Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit von Kindern in der Obhut der Kirche sowie zur Fürsorge für Missbrauchsopfer vorschlagen. Für die katholische Kirche gelte, was bereits Papst Johannes Paul II. erklärt habe: Der Vatikan betrachte Kindesmissbrauch durch Kirchenvertreter als Verbrechen und "entsetzliche Sünde vor den Augen Gottes".

Im Zuge der Anhörung in Genf äußerte sich auch der amtierende Papst zu den zahlreichen Missbrauchs-, aber auch Korruptionsaffären der vergangenen Jahre. Durch die "zahlreichen Skandale" in ihren Reihen habe sich die Kirche "zum Gespött" der Menschen in aller Welt gemacht, sagte Franziskus am Donnerstag bei der Morgenmesse in seiner Residenz in Rom. Er bezeichnete die Vorfälle als "Schande der Kirche".

"Keine Verbindung zu Gott"

"Schämen wir uns?", fragte er die Gläubigen und lieferte die Antwort indirekt gleich mit: "So viele Skandale, die ich nicht einzeln erwähnen will, die aber alle kennen!" Überall auf der Welt würden Kirchenkritiker "den Kopf schütteln, wenn wir vorübergehen", fuhr der Papst fort. Einige dieser Skandale hätten die Kirche gezwungen, viel Geld zu zahlen. "Und das ist gut so, wir mussten es tun", sagte der Pontifex mit Blick auf Entschädigungszahlungen, die von einigen Landeskirchen an Opfer sexuellen Missbrauchs geleistet wurden.

Die verantwortlichen Priester, Bischöfe und Laien hätten "keine Verbindung zu Gott" gehabt, jedoch "eine Position in der Kirche, eine Position der Macht und auch der Annehmlichkeit".

Inwieweit die katholische Kirche aber tatsächlich bereit ist, Verbrechen von hochrangigen Kirchenmännern zu ahnden, ist immer wieder fraglich. So begründete der Vatikan seine Weigerung, konkrete Angaben zu Missbrauchstätern vorzulegen, unter anderem damit, dass der Vatikanstaat keine Verantwortung für Kircheninstitutionen und deren Angestellte in anderen Ländern habe.

Bis Anfang Februar will das UN-Komitee Einschätzungen zum Umgang des Kirchenstaates mit Kindesmissbrauch sowie Empfehlungen für Verbesserungen erarbeiten.

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