Amazonas-Synode im Vatikan:Verheiratete Männer als Priester? Jetzt muss der Papst entscheiden

Papst Franziskus - Generalaudienz

Papst Franziskus kann die Empfehlungen, die ihm unterbreitet werden, breit oder auch nur punktuell aufnehmen - oder gar nicht.

(Foto: dpa)
  • Mit einem Votum für die Zulassung verheirateter Priester und Diakoninnen in entlegenen Regionen ist die dreiwöchige Amazonas-Synode im Vatikan zu Ende gegangen
  • Damit soll der extreme Mangel an Priestern in dem Gebiet bekämpft werden.
  • Bindend ist an dem Votum aber noch nichts. Franziskus kann die Empfehlungen, die ihm unterbreitet werden, breit oder auch nur punktuell aufnehmen, oder gar nicht.

Von Oliver Meiler, Vatikanstadt

Am Ende, nach drei Wochen der Beratungen, nach tausend Reden und Gebeten, Nachtschichten und intensiver Teamarbeit, wurde es dann doch noch hektisch im Vatikan. Für ordentliche Übersetzungen habe die Zeit nicht ausgereicht, räumte das Presseamt ein. Es gab dann nur rudimentäre Übertragungen aus dem Spanischen. Die Kopien waren noch warm, als sie verteilt wurden.

Die Sondersynode zum Amazonas, die am Samstagabend mit einer Serie von 120 Abstimmungen zu ebenso vielen Paragrafen aus dem Schlussdokument zu Ende ging, strahlt weit über die Region hinaus, für die sie einberufen worden war. Das zeigte sich auch am Interesse der Medien: Die grosse "Aula Johannes Paul II." im Pressesaal des Heiligen Stuhls war mal wieder ganz voll. Es stand Richtungsweisendes an, vielleicht sogar Revolutionäres, jedenfalls für die Standards dieser jahrtausendealten Institution.

Die Synodenteilnehmer legen dem Papst nun im Schlusspapier einen Katalog von Vorschlägen dazu vor, wie die katholische Kirche mit ihrem ganzheitlichen Ökologieverständnis dazu beitragen kann, die Zerstörung des Regenwalds zu stoppen und dabei die Rechte der indigenen Völker zu schützen. Und sie machen Vorschläge, wie die Kirche die Menschen auch in entlegensten Gebieten mit ihrer spirituellen Offerte erreichen kann - nämlich im Ausnahmefall auch mit verheirateten Männern als Priester und womöglich bald auch einmal mit Diakoninnen. Das ist alles noch sehr vorsichtig und vage formuliert, besonders der Part zur Rolle der Frauen. Dennoch: In den fünf Kapiteln stehen Dinge, die man so in einem offiziellen Dokument der Kirche noch nie geschrieben gesehen hat.

Bindend ist daran allerdings noch nichts. Franziskus kann die Empfehlungen, die ihm unterbreitet werden, breit oder auch nur punktuell aufnehmen, oder gar nicht. Seit es Synoden gibt, also seit 1965, legen Päpste im Normalfall nach einiger Zeit ein so genannt nachsynodales Schreiben vor. Das ist dann bindend.

Alle 120 Punkte des Schlussdokuments sind von den Synodenvätern genehmigt worden, und weil dafür jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig war und eben auch die stets polarisierenden Fragen zum Priesteramt und der Frauenrolle verhandelt wurden, galt das vor der Synode gar nicht mal als ausgemacht. Von den 185 geladenen Stimmberechtigten, alles Männer, die meisten von ihnen Bischöfe aus Lateinamerika, waren während der Abstimmungen 181 anwesend. Nötig waren deshalb jeweils mindestens 120 "Placet", wie die Ja-Stimmen genannt werden.

Völlig unproblematisch, so offenbaren es die einzelnen Ergebnisse, waren alle Punkte zum Schutz des Amazonas, dieser "Lunge des Planeten", wie Franziskus die Region nannte, und jene zum Schutz der bedrängten Urvölker. Die Synode ruft zu einer "Bekehrung" auf. Der kanadische Kurienkardinal Michael Czerny, Sondersekretär der Synode, sagte es so: "Bekehrung ist ein besonders starkes Wort für Wandel." Es sei gerade in Mode, über Umweltthemen zu reden. "Doch wir haben noch immer nicht verstanden, wie dringend die Lage tatsächlich ist."

Knapp fielen nur die Abstimmungen zu den Punkten 103 und 111 aus. 103 handelt von der Rolle der Frauen in der Kirche, der amazonischen im Speziellen. Dort sind sie bereits zentral, in vielfältigen Diensten. Aber sollen sie auch ständige Diakoninnen sein dürfen, ein Weiheamt bekleiden?

Noch kontroverser war natürlich Paragraf 11

Darüber sei lange und prominent diskutiert worden, heisst es jetzt. Doch am Ende scheuten sich die Synodenväter davor, eine klare Empfehlung abzugeben. Im Dokument steht nur, man warte auf die Ergebnisse einer Studienkommission zum Thema, die der Papst vor drei Jahren eingesetzt habe: Die sucht nach Hinweisen, ob und in welcher Form es das Diakonat für Frauen schon in der Urkirche gegeben hat und was sich davon unter Umständen in die Neuzeit übertragen liesse. Die Synodalen, zu denen auch dreissig Frauen gehörten, erbaten nun, ihre Erfahrungen und Überlegungen in dieser Kommission einbringen zu dürfen. Bei Punkt 103 gab es trotz dieser höchstens lauwarmen Forderung 30 "Non Placet".

Noch kontroverser war natürlich Paragraf 111, die Passage zur Priesterweihe verheirateter Männer, da gab es 41 Gegenstimmen. Das Wort "Viri probati", also "bewährte Männer", steht nicht im Dokument - so nennt man gestandene und angesehene Familienväter, die sich für das Amt eignen könnten. Es sorgte vor der Synode für heftige Debatten zwischen Progressiven und Konservativen. Letztere orten darin ein verstecktes Manöver, mit dem das Pflichtzölibat aufgelockert und schliesslich aufgegeben werden solle.

"Natürlich ist das ein Reizthema, vor allem im Westen", sagte Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz. Doch von einem Ende des Zölibats habe niemand gesprochen, das wolle auch niemand. Die Behauptung, bei dieser Synode sei es vor allem um den Zölibat gegangen, sei eine "Verdrehung" der Tatsachen.

Im Schlussdokument wird der Zölibat als "Gabe Gottes" beschrieben. Man bete dafür, dass es weiterhin viele Berufungen gebe, die das ehelose Priestertum leben. Wo das aber nicht so ist und die Eucharistie nur alle paar Monate, mancherorts auch nur einmal im Jahr möglich sei, sollten neue Wege in der Pastoralen gefunden werden. Gemeint ist zunächst einmal nur der Amazonas. Bei besonders argem Priestermangel sollten nach Ansicht der Bischöfe bald auch verheiratete Diakone zu Priestern geweiht werden können. Es sei ein "Skandal", sagte Marx, dass manche Gläubige unterbedient würden.

Als Kardinal Czerny gefragt wurde, wie lange jemand denn Diakon gewesen sein müsse, damit er Priester werden könne, sagte er, er wisse es nicht, das könne auch ganz kurz sein - vielleicht sogar fast gleichzeitig? "Jeder Priester müsse aber Diakon gewesen sein", schickte Czerny nach und lächelte. Über genaue Kriterien liess sich die Synode nicht aus. Das ist etwas für den nachsynodalen Weg. Und für den Papst.

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