Süddeutsche Zeitung

Vater entführt Kinder:"Ein religiöser Einzelgänger"

An Ostern entführte ein geschiedener Vater aus Niedersachsen seine vier Kinder - jetzt soll ein Tourist die Vermissten im Sudan fotografiert haben. Nun wird über das Motiv des Deutschen spekuliert, der als christlicher Fanatiker gilt.

Thomas Körbel

Der 37-jährige Mann aus Hermannsburg in Niedersachsen, der seine vier Kinder entführt hat, soll sich im Sudan aufhalten. Es gebe dafür ernstzunehmende Hinweise, bestätigte der Lüneburger Oberstaatsanwalt Lars Janßen am Dienstag. Gegen Axel H. liegt mittlerweile ein internationaler Haftbefehl vor. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte: "Die örtlichen Behörden haben uns ihre Unterstützung zugesichert." Dass ein deutscher Staatsbürger seine Kinder ins Ausland bringe, sei das Neue an diesem Fall, sagte die Sprecherin. Bisher seien es immer ausländische Elternteile gewesen, die ihre Kinder in ihr Heimatland gebracht hätten. Das Bundeskriminalamt hat derzeit 311 ins Ausland entführte Kinder registriert.

Axel H. hatte seine Kinder Jonas, 8, Benjamin, 7, Miriam, 5, und Lisa, 4, am Ostersonntag bei seiner früheren Ehefrau, Katja H., zu einer Radtour abgeholt und nicht mehr zurückgebracht. Die Mutter, die das alleinige Sorgerecht für die Kinder hat, informierte daraufhin die Polizei. Bald darauf stellte sich heraus, dass Axel H., der in seinem Bekanntenkreis als christlicher Fanatiker gilt, mit seinen Kindern nach Ägypten geflogen war. Am 9. Mai soll er dann mit einem Schiff in den Sudan weitergefahren sein.

Nun hat ein Bild-Leser die vermissten Kinder auf seiner Afrika-Reise fotografiert. "Ja, das sind meine Mädchen", sagte die Mutter beim Anblick des Fotos laut der Boulevardzeitung. Der Leser sei mit den Kindern und dem Vater auf einer Fähre von Assuan in das sudanesische Wadi Halfa gefahren, heißt es. Axel H. soll dort Bustickets nach Khartum gekauft haben. Über die Motive des Vaters kann derzeit nur spekuliert werden.

"Ein religiöser Einzelgänger"

Die Mutter der entführten Kinder, Katja H., sagte in der Fernsehsendung Stern TV: "Ich denke, dass er sie einfach hier herausgeholt hat, um ihnen seinen christlichen Glauben beizubringen." Die 2002 geschlossene Ehe sei schnell beendet gewesen, da sich Axel H. immer mehr auf seine religiöse Überzeugung besonnen habe. "Er hat sich isoliert, und wir sollten nur noch Menschen treffen, die so glauben wie er", sagte Katja H. Später habe er seine Arbeit als Krankenpfleger verloren und die Familie verlassen.

Die Söhne ließ H. bei Pastor Hans-Heinrich Heine von der lutherischen Gemeinde in Hermannsburg taufen. Schon bei einem der Taufgespräche sei deutlich geworden, dass sich H. von der Kirche entferne, sagte Heine. Die Mädchen wurden nicht mehr getauft. 2005 sei H. schließlich aus der Kirche ausgetreten. "Für ihn ist jede Form von institutionalisierter Kirche ein Übel", sagte Heine. H. sei ein religiöser Einzelgänger geworden. "Er nimmt einzelne Bibelstellen wörtlich und reißt sie aus dem Kontext", sagte der Pastor. Das sei typisch für einen Fundamentalisten.

Nach der Trennung von seiner Familie verbreitete H. seinen Glauben auf einer Website.

Wieso aber entführte H. die Kinder in das islamisch geprägte Bürgerkriegsland? Will er, wie spekuliert wird, von den Unruhen in dem nordostafrikanischen Land profitieren und am Aufbau eines christlichen Staates mitwirken? Heine hält das für unwahrscheinlich. "Axel H. ist zu intelligent, um sich für so etwas reelle Chancen auszurechnen."

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SZ vom 22.06.2011/aho
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