USA:"Systemisches Versagen" der Polizei während Schulmassakers in Texas

Viele Angehörige in Uvalde fragen sich, ob ihre Kinder noch leben würden, wenn die Beamten schneller gehandelt hätten. Nun stellt ein Untersuchungsbericht den Einsatzkräften ein verheerendes Zeugnis aus.

Chaos, Fehlentscheidungen und Untätigkeit: Ein Untersuchungsbericht hat zwei Monate nach dem Massaker in einer Grundschule im US-Bundesstaat Texas mit 21 Toten "systemisches Versagen" bei dem Polizeieinsatz aufgedeckt. Fast 400 Beamte verschiedenster Strafverfolgungsbehörden seien zwar zu der Grundschule in der Stadt Uvalde geeilt - es sei aber nicht rechtzeitig eingegriffen worden, heißt es in dem Bericht. "Wenn es nur eine Sache gibt, die ich Ihnen sagen kann, dann ist es, dass es mehrfaches systemisches Versagen gab", sagte der republikanische Abgeordnete Dustin Burrows bei einer Pressekonferenz.

Der Bericht über den Polizeieinsatz am 24. Mai wurde von einem Untersuchungsausschuss des texanischen Repräsentantenhauses verfasst und am Sonntag an Angehörige verteilt. Ein 18 Jahre alter Schütze hatte bei der Tat in der Kleinstadt 19 Kinder und zwei Lehrerinnen getötet. Der Angreifer hatte in zwei miteinander verbundenen Klassenräumen mit einem Sturmgewehr auf seine Opfer geschossen.

USA: "Sie hätten dringender handeln müssen", sagt der republikanische Abgeordnete Dustin Burrows über die Polizisten, die im Flur der Schule gewartet haben.

"Sie hätten dringender handeln müssen", sagt der republikanische Abgeordnete Dustin Burrows über die Polizisten, die im Flur der Schule gewartet haben.

(Foto: Eric Gay/dpa)

Die Polizei wurde wegen des zögerlichen Einschreitens heftig kritisiert. Nach der Tat änderte sie immer wieder ihre Angaben zum Ablauf des Geschehens. Es stellte sich schließlich heraus, dass die Polizei erst etwa 75 Minuten nach ihrem Eintreffen den Täter überwältigte und tötete. In dem Bericht wird nicht aufgeschlüsselt, wann die Hunderten aufgelisteten Einsatzkräfte jeweils vor Ort eintrafen.

Die Rettung unschuldiger Opfer sei nicht über die eigene Sicherheit gestellt worden

"An diesem Tag wussten mehrere Beamte auf dem Flur oder in dem Gebäude, dass in dem Klassenzimmer jemand im Sterben lag, oder hätten es wissen müssen", sagte Burrows. "Sie hätten dringender handeln müssen, die Türgriffe ausprobieren, versuchen, durch die Fenster einzusteigen, versuchen, ihn abzulenken, versuchen, etwas zu tun, um auf die Situation zu reagieren." Die Juristin Eva Guzman, die ebenfalls an dem Bericht gearbeitet hat, fügte hinzu: "Der Bericht besagt meiner Meinung nach, dass man sich einen anderen Job suchen sollte, wenn man nicht bereit ist, das Leben der Menschen, denen man dient, dieser Kinder, über das eigene zu stellen."

USA: Erst etwa 75 Minuten nach ihrem Eintreffen überwältigte die Polizei den Täter von Uvalde.

Erst etwa 75 Minuten nach ihrem Eintreffen überwältigte die Polizei den Täter von Uvalde.

(Foto: TEXAS HOUSE INVESTIGATIVE COMMIT/via REUTERS)

Es sei versäumt worden, die Rettung unschuldiger Opfer über die eigene Sicherheit zu stellen, hieß es weiter in dem 77-seitigen Bericht. Die begangenen Fehler seien nicht auf einen Mangel an Einsatzkräften zurückzuführen, sondern auf das Fehlen von Führungsqualitäten und effektiver Kommunikation. Mehrere Polizisten hätten die Szenen am Tatort als chaotisch beschrieben und nicht gewusst, wer überhaupt das Kommando habe. Niemand habe die Initiative ergriffen und das Kommando übernommen, hieß es weiter. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass durchaus Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn die Einsatzkräfte früher eingegriffen hätten.

Auch an der Robb Elementary School seien Fehler passiert, hieß es weiter. Eigentlich hätten die Türen zur Schule verschlossen sein müssen - dies sei aber nicht der Fall gewesen. Auch innerhalb der Schule gab es Probleme mit den Schlössern an den Klassenräumen. Einer der aneinandergrenzenden Klassenräume, in dem der Schütze das Blutbad anrichtete, sei vermutlich nicht abgeschlossen gewesen. Auch sei die Lautsprecheranlage in der Schule nicht genutzt worden, um den Lockdown zu kommunizieren. Nicht alle Lehrerinnen und Lehrer hätten rechtzeitig davon erfahren und entsprechend handeln können.

Bürgermeister reagiert aufgebracht auf Kritik

Gleichzeitig wurden neue Videos von dem Polizeieinsatz öffentlich. Darauf ist zu sehen, dass einige Beamte in der Schule sich mutmaßlich zumindest anfangs gar nicht im Klaren darüber waren, ob in dem Klassenraum Kinder waren. Die Polizei versuchte erfolglos, mit dem Schützen zu verhandeln und fummelte an einer Tür mit einem Schlüssel herum. Zahlreiche Einsatzkräfte standen bewaffnet untätig im Flur. Immer wieder sind auf den Aufnahmen Schüsse zu hören. Viele der anrückenden Einsatzkräfte seien besser ausgebildet und ausgerüstet gewesen als die Polizei des Schulbezirks, hieß es in dem Bericht. Sie hätten helfen können, das sich ausbreitende Chaos zu bewältigen.

Auch der Bürgermeister von Uvalde, Don McLaughlin, musste sich am Sonntag Fragen stellen lassen - und reagierte teilweise sehr aufgebracht auf die Kritik. Er machte deutlich, gerne zurückzutreten, wenn das der Wille der Menschen sei. "Sie können wählen, wen sie wollen", sagte er. Immer wieder hatte es nach dem Massaker Kritik an Behörden und Verantwortlichen gegeben. Erst rund einen Monat nach dem Massaker war der Polizeichef des Schulbezirks bis auf Weiteres beurlaubt worden. Am Sonntag beurlaubte der Bürgermeister nun auch den am Tag des Massakers amtierenden Chef der Polizei der Stadt.

Tote in Einkaufszentrum in Indiana

In den USA kommt es immer wieder zu tödlichen Vorfällen mit Schusswaffen. Am Sonntag tötete ein Schütze in der Stadt Greenwood im Bundesstaat Indiana mindestens drei Menschen in einem Einkaufszentrum. Nach Polizeiangaben eröffnete er im Gastronomiebereich das Feuer mit einer Langwaffe. Es handle sich um einen erwachsenen Mann, das Motiv sei unklar, hieß es weiter.

Den Angaben zufolge hatte er weitere Munition dabei. Ersten Erkenntnissen nach wurde der mutmaßliche Schütze von einem Mann mit einer Handfeuerwaffe getötet, der auch in dem Einkaufszentrum war. Dieser kooperiere mit den Ermittlern. Es handle sich um einen "barmherzigen Samariter", so der Polizeivertreter. "Wir sind erschüttert über einen weiteren Vorfall dieser Art in unserem Land, in unserer Stadt", sagte er weiter.

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