USA:US-Justizirrtum: Paar erhält Millionenentschädigung nach 21 Jahren Haft

USA: Dan und Frances Keller vor dem Travis County Courthouse in Austin, Texas.

Dan und Frances Keller vor dem Travis County Courthouse in Austin, Texas.

(Foto: AP)
  • Nach 21 Jahren Haft wegen eines Justizirrtums kommt ein Ehepaar aus Texas frei.
  • Ein Polizeibericht aus dem Jahr 1992 wirft dem Paar vor, in satanistischen Ritualen Kinder und Tiere gequält zu haben.
  • Inzwischen ist klar: Die befragten Kinder sind wohl durch Suggestivfragen zu Falschaussagen verleitet worden.

Von Max Sprick

Dan Keller habe seinen Hund umgebracht und dann Kinder gezwungen, ihn auszunehmen und zu essen. Mit dem Blut des Hundes habe Keller die Kinder "getauft", das Blut weiterer von ihm erlegter Tiere den Kleinen zum Trinken gegeben. Außerdem habe Keller mit seiner Ehefrau Frances ein Baby enthauptet und zerhackt, die Leichenteile in einen Pool geworfen und dann Kinder gezwungen, ins Becken zu springen. Und das Ehepaar Keller habe Gräber angelegt, in denen sie die Kadaver versteckten. Als ein erwachsener Passant das mitbekam, sei er von den Kellers erschossen und mit einer Kettensäge zersägt worden.

Was klingt wie ein brutaler Horrorfilm, steht so im Polizeibericht und den Gerichtsakten. Es sind die Berichte von drei Kindern, die beim Erzieher-Ehepaar Keller in Austin, Texas, betreut worden waren. Im November 1992 wurden Frances und Dan Keller wegen dieser satanistischen Gruselgeschichten und sexuellen Missbrauchs zu 48 Jahren Gefängnis verurteilt. "Natürlich sind wir enttäuscht von diesem Urteil, aber die Jury hat gesprochen und wir respektieren ihre Meinung", sagte der damalige Anwalt der Kellers der New York Times. Ein Vater der aussagenden Kinder freute sich gleichzeitig über die lange Haftstrafe und sagte: "Wir hoffen, sie bleiben lebenslänglich hinter Gittern."

Blieben die Kellers aber nicht. Ende November 2013 wurden sie aus der Haft entlassen, nach 21 Jahren im Gefängnis. Die Behauptungen der Kinder hatten sich als reine Erfindung herausgestellt. Suggestive Fragen hätten sie damals zu "fantastisch falschen Aussagen" verleitet, berichtete der aktuelle Anwalt der Kellers dem Guardian.

Wegen dieses Justizirrtums klagten die Kellers auf Entschädigung. Nun sind ihnen pro Person und Gefängnisjahr 80 000 Dollar zugesprochen worden. Der Staat Texas muss den Kellers also insgesamt 3,4 Millionen Dollar zahlen. "Sie sind glücklich", sagte ihr Anwalt Keith Hampton. Sie seien nun endlich frei, sagte die heute 67-jährige Frances Keller dem Austin American-Statesman. "Wir können nun anfangen zu leben - und die Albträume haben ein Ende."

Bleibt nur die Frage: Wie konnten diese Albträume überhaupt entstehen - und von der Jury für real erklärt werden?

Obwohl Ermittler damals überall nach tierischen und menschlichen Leichenteilen gruben und suchten, fanden sie: nichts. Der einzige physische Beweis, den sie gegen die Kellers zur Anklage brachten, war das Gutachten eines Arztes, der das dreijährige Mädchen untersucht hatte, das zuerst seinen Eltern von sexuellem Missbrauch erzählte.

Michael Mouw gab damals an, er habe Risse auf dem Jungfernhäutchen des Mädchens gefunden, die belegen würden, dass sie belästigt worden ist. 21 Jahre später unterzeichnete Mouw dann eine Eidesstattliche Erklärung, in der er erklärte, dass er falsch lag. Er habe realisiert, dass seine damalige Unerfahrenheit ihn zu einem Fazit geführt habe, das "wissenschaftlich und medizinisch nicht gültig ist".

Der Fall der Kellers fiel in eine Zeit, in der in den USA Angst vor okkulten Verbrechen herrschte. "Die Vorwürfe erschienen damals nicht außergwöhnlich", sagte Keller-Anwalt Hampton dem Guardian. "Die Leute haben diesen Kram tatsächlich geglaubt, weil er ständig im Kino und Fernsehen kam." In den lokalen Nachrichten habe es eine eigene "Cult Crimes"-Sendung gegeben, der Hollywood-Film "Der Exorzist 3" war zu dieser Zeit ein Blockbuster und Satan sei einfach überall präsent gewesen.

Das rehabilitierte Ehepaar will nun ein Haus und ein Auto kaufen, sich eine Krankenversicherung zulegen und ein Hörgerät für den inzwischen 75-jährigen Dan Keller anschaffen.

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