Slowenien:Eine gute Figur

Lesezeit: 2 Min.

Ein Slowene formt mit einer Motorsäge die US-Präsidenten-Gattin als grobschlächtige Holzskulptur, was für viel Spott und Häme sorgt. Doch eigentlich ist die Melania-Trump-Statue ganz große Kunst.

Von Martin Zips

Sogleich war wieder Schnappatmung angesagt. "So lacht das Netz über Melania Trumps skurrile Holzskulptur!" war auf einer Nachrichtenseite zu lesen. Das "grobschlächtig wirkende Ebenbild" sei "zum Brüllen komisch". Hämisch wurde woanders gefragt: "Schlumpfine oder Vogelscheuche?" Das Werk, es sei "umstritten", es gebe sogar "Streit". Und auf Twitter war gar kein Halten mehr. Hohn trat über die Ufer wie im Herbst das Wasser des slowenische Flusses Save. An dessen Ufer befindet sich seit einigen Tagen das außergewöhnliche Portrait der US-Präsidentengattin.

Hier, in Rožno, hat ein Mann namens Aleš Maxi Župevc Frau Trump mit seiner Motorsäge aus dem Stamm einer gefällten Linde geformt. Doch davon war nur in den wenigsten Berichten zu lesen. Eher war die Rede davon, dass das Werk "eine Schöpfung des amerikanischen Street-Art-Künstlers Brad Downey" sei. Wahrscheinlich wieder so ein Linker halt, der was gegen erfolgreiche Republikaner hat.

Downey hatte die Idee. Sein Team beauftragte den slowenischen Hobbykünstler Župevc mit dem Projekt - und erstellte einen kurzen Film über die Arbeiten an "Melania". Župevc erzählt hier, er sei (ebenso wie Melania) im April 1970 auf die Welt gekommen. Und er wohne in einem Ort, der nur wenige Kilometer von ihrem Heimatdorf Sevnica entfernt sei. Seit seiner Kindheit sei er von der Leidenschaft erfüllt, mit Holz zu arbeiten.

Natürlich: Schön im klassischen Sinne ist die Skulptur wirklich nicht. Eher geprägt vom Stile Pablo Picassos, Max Ernsts oder Joan Mirós. Den ein oder anderen Kunstinteressierten mag ihre Grobheit überfordern, doch in Downeys Film berichtet Župevc auf wirklich herzerwärmende Weise von seinem Leben. Tag und Nacht sei er als Straßenarbeiter unterwegs, um irgendwie zu überleben. "Ich schufte wie ein Hund, andere Leute müssen das nicht." In dem Moment, da Župevc erzählt, dass er kaum einen freien Tag habe, den er zusammen mit seiner Frau verbringen könne, muss er sogar weinen.

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Seit Jahrzehnten hat Melania Trump die Gegend, in der sie schon mit fünf Jahren als Model auf dem Laufsteg stand, nicht mehr besucht. Die Menschen hier versuchen, sich auch durch den Verkauf von Melania-Souvenirs an US-Touristen ein bisschen Geld dazuzuverdienen. Downeys filmische Begegnung mit Aleš Maxi Župevc wirkt da wie ein Klassentreffen nach vielen Jahren: Manche haben es geschafft, andere nicht. Wie Župevc - rauchend, trinkend und im Holzfällerhemd - Melanias Ganzkörper-Foto vom Tag der Inauguration sich als Schablone auf den Stamm heftet, um ihre Konturen mit der Holzsäge nachzufahren, das hat schon etwas sehr Unmittelbares. Verächtlich äußert er sich dabei übrigens nie. Melania sei ihm viel lieber als deren Ehemann, gibt er zu. Zwar sei sie eher "schlicht", das schon. "Aber seht es mal so: Ihr gehört die Hälfte der USA!"

Und während im Abspann des Filmes noch ein slowenisches Volkslied zu hören ist, in dem Frauen und Männer von einem Kleid aus blauer Seide träumen, läuft woanders schon wieder die nächste Melania-Meldung heiß: Ihr Kleid! "Obenrum durchsichtig!" Jemand kommentiert: "Vielleicht hat das Budget nicht für einen BH gereicht." Das Volk, es interessiert sich eben immer nur für die wirklich wichtigen Dinge im Leben.

© SZ vom 09.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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