Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Ein Anruf bei":"Nur eine spritzte richtig gut"

Sein Foto ging um die Welt: Ein Gespräch mit Pfarrer Tim Pelc aus Michigan über Wasserpistolen, die Tauferinnerung und das Corona-Krisenmanagement des US-Präsidenten.

Interview von Martin Zips

Der römisch-katholische Priester Tim Pelc, 70, aus Grosse Pointe Park in Michigan hat an Ostern seine Gemeindemitglieder mit einer Weihwasser-Pistole bespritzt. Seither verfolgen 2000 Menschen seine Messe im Internet. Vorher saßen nur 50 bis 100 Gläubige in der Kirche.

SZ: Pater Tim, war es das erste Mal, dass Sie eine mit Weihwasser gefüllte Wasserpistole verwendet haben?

Tim Pelc: Höchstwahrscheinlich war es auch das letzte Mal. Liturgisch kann so eine Wasserpistole ja nur eine Notlösung sein. Aber außergewöhnliche Zeiten verlangen eben außergewöhnliche Lösungen. Ist das bei euch nicht auch so, dass die Leute ihre Speisen am Ostersamstag mit in die Messe bringen?

Sicher. Aber Pfarrer mit Spielzeugpistolen, das gibt es hier nicht. Bei uns benutzt man einen Weihwasserwedel.

Ist ja auch richtig so. Aber als ich mich unter den Zeichen von Corona mit einem Arzt darüber unterhalten habe, wie man so eine Segnung am besten durchführt, da sind wir auf die Idee zum Drive-in mit Wasserpistole gekommen. Der Doktor sagte: "Das ist nicht nur sicher, sondern auch lustig." Also, das Wort "lustig" aus dem Munde eines Mediziners inmitten einer Pandemie - das hat mich absolut überzeugt. Glücklicherweise hatten wir in der Gemeinde bisher nur einen einzigen tödlichen Covid-19-Fall.

Trotzdem: Eine Spielzeugwaffe in der Hand eines Theologen ...

Es geht hier doch um Tauferinnerung. Schauen Sie ruhig mal bei mir vorbei, dann bespritze ich auch Sie. Das war schon immer meine Lieblingsbeschäftigung bei der Osterzeremonie. Außerdem war es den Gläubigen am Parkplatz vor der Kirche überlassen, ob sie ihre Gegenstände aus dem geöffneten Fenster halten oder sie hinten auf ihre Ladefläche stellen. Etwas merkwürdig angefühlt hat es sich allerdings, dass während der Segnung die Polizei gleich nebenan eine Verfolgungsjagd veranstaltete. Da stand ich quasi mittendrin, mit meiner Wasserpistole.

Kennen Sie eigentlich den deutschen Kardinal Müller in Rom?

Nicht persönlich. Aber klar kenne ich den. Sehr konservativ.

Was hätte der zu Ihrer Aktion gesagt?

So einen frage ich doch nicht! Ich fand es aber toll, dass von 40 000 Internet-Kommentaren nur weniger als ein Dutzend kritisch waren. Ein echtes Osterwunder. Mehr noch: Dass mich Menschen nun im Internet dank Photoshop mit der Waffe in der Hand gegen Dämonen ankämpfen lassen, das finde ich richtig großartig. Eine sehr zeitgemäße Auseinandersetzung mit der Frohen Botschaft. Insgesamt aber fühle ich mich schon ein bisschen zu alt für Facebook und das alles. Als ich hier in der Gemeinde ankam, da war die elektrische Schreibmaschine noch das ganz neue Ding.

Wie sind Sie eigentlich an die Wasserpistole gekommen?

Bedauerlicherweise hatte ich bisher keine. Aber da gibt es ja diese Internetversandhäuser. Da habe ich mir eine größere Auswahl schicken lassen, um zu schauen, welche sich am besten eignet. Nur eine spritzte richtig gut.

Und was haben Sie mit den anderen gemacht?

Denen habe ich schlechte Bewertungen geschrieben. Der Versandhändler hat sich dann von sich aus bei mir gemeldet und mir das Geld zurücküberwiesen. Na, Herr Bezos wird's verkraften.

In Michigan haben kürzlich Bewaffnete das Parlament gestürmt - aus Protest gegen den Lockdown. Haben viele Ihrer Gemeindemitglieder echte Waffen zu Hause?

Unterschiedlich. Immerhin bringen nur wenige ihre AK-47 mit in die Kirche. Ich hoffe, dass sich bald wieder die Stimmung im Land ändert. Seien Sie mir nicht böse, aber zu Trumps Krisenmanagement möchte ich mich wirklich nicht äußern. Bald ist November, dann wird wieder neu gewählt.

Wo ist Ihre Wasserpistole jetzt?

In der Sakristei natürlich. Nächste Woche habe ich hier einige Taufen. Da habe ich mir mal kurz überlegt, sie wieder einzusetzen. Aber ich glaube, ich entscheide mich am Ende doch für das Taufbecken.

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