USA:Protokoll einer gescheiterten Hinrichtung

Todeskandidat Broom kann von seiner Hinrichtung berichten - sie endete nach Stunden mit zerstochenen Venen. Nun liegt seine Leidensgeschichte vor.

Nach einer gescheiterten Hinrichtung mittels Giftspritze hat ein US-Bundesgericht in Ohio eine geplante Hinrichtung ausgesetzt.

Das Gericht gab einer Klage des 43-jährigen verurteilten Mörders Lawrence Reynolds statt und ordnete eine Überprüfung der Hinrichtungsmethoden in Ohio an. Zudem tadelte es die zuständigen Behörden wegen "Inkompetenz".

Hintergrund ist der Fall des Häftlings Romell Broom, der im September hingerichtet werden sollte. Er soll 1984 ein 14-jähriges Mädchen vergewaltigt und umgebracht haben. Doch die Hinrichtung wurde abgebrochen, weil das Team keine Vene für die Todesspritze fand. Broom kann heute von seiner eigenen Hinrichtung berichten.

Die Tortur beginnt an einem Nachmittag des 15. September. Sie endet zwei Stunden später, als er mit zerstochenen Venen und geschwollenen Gliedern die Hinrichtungskammer im Gefängnis von Lucasville verlässt. Eigentlich sollte er an dem Tag durch die Giftspritze sterben. Drei Tage später gibt Broom unter Eid seine Leidensgeschichte zu Protokoll.

"Ich habe vor Schmerz geschrieen"

Es ist 14 Uhr Ortszeit, als der 53-jährige Afroamerikaner Broom auf der Liege festgeschnallt wird. Drei Aufseher bereiten seine Hinrichtung vor und legen die Kanülen bereit, durch die drei Medikamente fließen sollen: Das erste soll ihn bewusstlos machen, die zweite Injektion seine Muskeln lähmen, die dritte soll den Herzschlag stoppen. "Die Krankenschwester versuchte drei Mal, die Venen in meinem linken Arm zu treffen", sagt Broom. Dann sticht der Pfleger an seiner Rechten in seinen anderen Arm - wieder vergeblich.

Hinter dem Fenster der Hinrichtungskammer werden vier Journalisten und drei Angehörige des Mordopfers von Broom Zeugen der menschenunwürdigen Prozedur. In dem Raum versucht es die Krankenschwester nach einer kurzen Pause erneut, sticht mehrmals in Brooms linken Arm. "Sie muss einen Muskel getroffen haben. Ich habe vor Schmerz geschrieen", berichtet der Mann. "Dann haben sie wieder drei Mal in den rechten Arm gestochen."

Eine der Venen scheint stabil zu sein, der Pfleger legt den Katheter, doch der bricht ab. Blut läuft über Brooms Arm. Die Krankenschwester verlässt den Raum. Als der Gefängnisleiter sie fragt, ob die Hinrichtung geklappt hat, sagt sie "Nein". Einer der Wärter klopft Broom auf die Schulter. Er solle sich entspannen, rät er ihm.

"Mir ging es elend", erinnert sich Broom. "Durch die Verletzungen der vielen Stiche konnte ich meine Arme nicht bewegen." Die Krankenschwester kommt mit warmen Tüchern zurück und legt sie auf seine schmerzende Arme. Als das Team es nun an den Händen versucht, hilft er mit, den Arm abzubinden, gewillt, der Tortur ein Ende zu bereiten. Doch es funktioniert wieder nicht, das Team legt eine Pause ein, klopft Broom erneut auf die Schulter.

25 Jahre im Todestrakt

"Da bin ich wirklich wütend geworden. Ich habe geweint, mir ging es schlecht, meine Arme waren geschwollen." Broom verlangt, dass die Hinrichtung abgebrochen wird und will seinen Anwalt sprechen. Doch das Hinrichtungsteam setzt ihn aufrecht hin und sticht in seinen rechten Fußknöchel und den linken Unterschenkel. "Die Nadel muss einen Knochen getroffen haben, ich hatte wahnsinnige Schmerzen."

Als auch das nicht klappt, versuchen es die Wärter erneut mit seiner rechten Hand. Da war der Schmerz kaum noch auszuhalten. Erst nach zwei qualvollen Stunden bricht der Gefängnisleiter die Hinrichtung ab. 18 Stiche zählt Broom nach dieser Tortur. Als er den Raum, in dem er sterben sollte, verlässt, bietet ihm ein Wärter einen Kaffee und eine Zigarette an.

Brooms Hinrichtung ist seitdem aufgeschoben, seine Anwälte wollen die vollständige Aussetzung erreichen. Vor dem 15. September harrte Broom bereits 25 Jahre im Todestrakt des Gefängnisses aus. Während der ganzen Zeit beharrte er auf seiner Unschuld.

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