Süddeutsche Zeitung

Politische Imbissbude in den USA:So schmecken Schurkenstaaten

Friede, Freude, Fladenbrot? Künstler haben in Pittsburgh eine Imbissbude aufgemacht, die nur Essen aus Staaten anbietet, zu denen die USA ein angespanntes Verhältnis haben. Wider Erwarten ist "Conflict Kitchen" ein Erfolg.

Katarina Lukac

Bunt, poppig und freundlich sticht die Fassade einer Imbissbude in Pittsburgh hervor - Adjektive, die normalerweise nie in einem Satz mit Iran genannt werden, nicht nur in den USA. "Kubideh Kitchen" heißt der Imbissladen, der viele neugierige Passanten anzieht, stutzig und kurz darauf satt macht. Wie für jeden Kunden nachzulesen ist, wird hier demnächst statt iranischem Essen ein nordkoreanisches Gericht auf der Karte stehen, anschließend womöglich eine afghanische oder venezolanische Spezialität. Eine kulinarische Reise durch die von der Bush-Administration einst als "Schurkenstaaten" bezeichneten Länder der Welt, mitten im US-Bundesstaat Pennsylvania.

"Conflict Kitchen" heißt die Idee hinter der Imbussbude, die sich Jon Rubin, John Pena und Dawn Weleski - im Hauptberuf Künstler - ausgedacht haben. Sie wollen ausschließlich Spezialitäten aus Ländern verkaufen, mit denen die USA in Konflikt stehen. Alle vier Monate werden Land, Fassade und Gericht ausgewechselt, denn auf der Karte steht jeweils immer nur ein National-Snack. Der wird dafür umso liebevoller zubereitet, versichtert Rubin. Das aktuell angebotene kubideh, eine Art persisches Hackfleisch-Sandwich, schmecke "ganz wunderbar", versichert der 46-Jährige im Telefongespräch mit sueddeutsche.de.

"Am Anfang hielten wir es selbst für eine Schnapsidee", sagt Rubin. Doch nur für kurze Zeit: Wegen regen Andrangs hat der Imbiss seine Öffnungszeiten verlängert. Finanziell trägt sich der Laden bereits selbst - Geld vom Staat gibt es nicht, wie Rubin betont. Ein Kritiker hatte auf der Internetseite kubidehkitchen.com den Imbiss als "unsinnige Verschwendung von Steuergeldern" bezeichnet.

Ein anderer Internet-Besucher geht noch weiter mit seinem Urteil: "Das traurige an der Sache ist, dass es nicht einmal ,hip' oder ,gewagt' ist, heutzutage ein bekennender Verräter zu sein", schreibt mike. "Ihr Leute seid armselig." Angst davor, dass die Kritik in Gewalt umschlagen könnte, hat Rubin dennoch nicht. Ziel des Projekts sei schließlich nicht, irgendein Regime zu unterstützen, sondern für mehr Verständnis zwischen den Menschen zu sorgen.

Ganz Friede, Freude, Fladenbrot scheint "Conflict Kitchen" freilich nicht zu sein. Die iranischen Burger sind in Papier eingewickelt, auf dem in peppiger Aufmachung zumeist um Aufklärung und Ausgleich bemühte, auch regimekritische Informationen zu Iran nachzulesen sind. Entstanden sind die anonymen Zitat-Fragmente aus Interviews mit Iranern, die in Pittsburgh und in Iran leben, so die etwas vage Quellenangabe.

Doch neben Informationen zu iranischer Mode, Tee und Film finden sich darauf auch Aussagen zu hoch brisanten Themen wie Irans Atomprogramm und dem Verhältnis zu Israel - Letztere mit teils offen feindseligem Charakter. Umso irritierender sind diese Fragmente, da sie anonym und undifferenziert daherkommen. Eine jüdische Besucherin, die das Projekt auf kubidehkitchen.com als grundsätzlich "wundervoll" bezeichnet, empfindet das Israel-Kapitel auf der Sandwich-Tüte als "ziemlich verletzend". Irans Image dürfe nicht auf Kosten Israels aufpoliert werden.

Rubin entgegnet, die Aussagen zeigten, dass viele Iraner Probleme mit Israel und seiner Palästina-Politik, nicht aber mit Juden an sich hätten. Auch der Vorwurf mancher Landsleute, er sei ein Vaterlandsverräter, perlt an ihm ab: "Wissen Sie was? Das ist super!" Jeder offene Dialog sei zu begrüßen. Sein Ziel sei, Passanten zu erreichen, die sich normalerweise keine Gedanken machten über Politik oder Kunst - und sie ein wenig für jene Länder zu sensibilisieren, die ihnen von den Massenmedien lediglich als "Achse des Bösen" präsentiert würden. "Trotz aller Unterschiede läuft der Alltag der Menschen weltweit ähnlich ab", sagt Rubin. "Wir alle müssen essen."

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