Nach dem Sturm kamen die Plünderer. In Coney Island, einem von Flut und Schlamm besonders betroffenen Stadtteil Brooklyns, suchten junge Männer die normalerweise unter Ausflüglern beliebte Mermaid Avenue heim, schlugen Scheiben von Geschäften ein und zogen mit Flachbildschirmen und anderem Gerät davon.
Die Ocean View Street ist gesäumt von verschlammten Autos, an denen überall die Scheiben auf der Fahrerseite eingeschlagen sind. Plünderungen sind bisher die Ausnahme geblieben in New York; bisher hat die Polizei 13 Tatverdächtige festgenommen. Aber Nachrichten dieser Art sorgen für Angst in einer Stadt, in der immer noch 676.000 Haushalte ohne Strom sind. Viele haben ihre Wohnungen verlassen, um bei Freunden, in Hotels oder in Notunterkünften Zuflucht zu suchen. Jetzt sorgen sie sich um ihr Hab und Gut.
In Red Hook, ebenfalls in der Überschwemmungszone Brooklyns, muss "Fairway", einer der größten Supermärkte der Gegend, sein komplettes Warenangebot vernichten. Arbeiter werfen die verdorbenen Lebensmittel in Container-Lastwagen. Anwohner, die auf Verwertbares für ihre Küche gehofft hatten, werden abgewiesen: Zu gefährlich, die Ware könnte ungenießbar sein.
In Sewaren, an der Grenze zwischen New York und New Jersey, hat der Sturm ein Leck in ein Öllager von Shell gerissen, Eine bisher unbekannte Menge Öl ist in die Bucht von New York gelaufen.
Drei Tage nachdem Hurrikan Sandy die amerikanische Ostküste heimgesucht hat, wird zunehmend klar, dass die Schäden viel schlimmer sind als zunächst befürchtet. Die Börden setzten die Zahl der Todesopfer mittlerweile auf 82 herauf, vermutlich werden es in den kommenden Tagen noch deutlich mehr werden. Knapp die Hälfte der Opfer ist in New York zu beklagen. Sechs Millionen Haushalte und Unternehmen waren am Donnerstag noch ohne Stromversorgung. Auch die Mobilfunknetze waren in vielen Gegenden stark eingeschränkt.
Gesamtschäden bei bis zu 50 Milliarden Dollar
Besonders schwer ist der Bundesstaat New Jersey betroffen, wo der Sturm in der Nacht zum Dienstag auf die Küste gestoßen war. Hier wurden ganze Stadtviertel zerstört, viele Gegenden sind immer noch überschwemmt, ein Viertel der Bevölkerung musste am Donnerstag immer noch ohne Elektrizität ausharren, in mehreren Küstenstädten wurden die Uferpromenaden komplett zerstört. Einige Gemeinden verhängten nächtliche Ausgangssperren, um Plünderungen vorzubeugen. In Hoboken, gegenüber von New York am Hudson River, musste die Nationalgarde 50.000 Menschen aus ihren überfluteten Häusern befreien.
Die Analysefirma Eqecat hat ihre Schätzungen für den Gesamtschaden von Sandy heraufgesetzt: Sie sollen jetzt bei 30 bis 50 Milliarden Dollar liegen; zehn bis 20 Milliarden davon sollen versichert sein. Damit wäre Sandy der zweitteuerste Hurrikan der US-Geschichte nach Katrina, der 2005 New Orleans verwüstete.
Unterdessen versucht New York, zur Normalität zurückzukehren. U-Bahnen und Busse verkehren wieder mit ausgedünntem Fahrplan. Noch immer ist es unmöglich, mit der U-Bahn von Brooklyn nach Manhattan zu kommen. Die New Yorker Schulen sind geschlossen. Noch am Mittwoch war Benzin an fast allen Tankstellen ausverkauft. Gleichzeitig ging eine Welle der Hilfsbereitschaft durch New York. Die Menschen spendeten Lebensmittelkonserven, Kleider und Geld für die am schlimmsten Betroffenen, städtische Angestellte arbeiteten freiwillig in Notunterkünften oder als Katastrophenhelfer.