Los Angeles:Ein Möchtegern-Milliardär bittet um Gnade

Los Angeles: 1987 wurde Joe Hunt wegen Mordes zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf Bewährung verurteilt. Eine Leiche wurde allerdings nie gefunden.

1987 wurde Joe Hunt wegen Mordes zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf Bewährung verurteilt. Eine Leiche wurde allerdings nie gefunden.

(Foto: AP)
  • Joe Hunt sitzt wegen Mordes seit 34 Jahren in Kalifornien in Haft; nun versucht er, per Gnadengesuch freizukommen.
  • Hunt soll einen Mann getötet haben, der ihn um mehrere Millionen Dollar betrogen hat; er bestreitet die Tat bis heute.
  • Hunt ist Gründer des Billionaire Boys Club, der in den 1980er Jahren mit Betrügereien Millionen Dollar ergaunerte.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Was für ein Name: Billionaire Boys Club, der Club der jungen Milliardäre. Das klingt nach schnellen Autos und wilden Partys, und genau darum ging es ja auch, Anfang der 1980er-Jahre in Los Angeles. Was der Billionaire Boys Club auch war: eine Bande von Betrügern und wahrscheinlich auch Mördern. Sie zogen den Leuten über ein Schneeballsystem das Geld aus der Tasche und gingen dabei höchstwahrscheinlich auch über Leichen. Der Gründer des Clubs, Joe Hunt, sitzt seit mehr als 30 Jahren wegen Mordes im Gefängnis. Jahrelang hat er immer wieder Widerspruch eingelegt, 2016 wurde seine letzte Berufung abgelehnt. Jetzt versucht er, auf eine politische Diskussion aufzuspringen, um vom kalifornischen Gouverneur Jerry Brown begnadigt zu werden.

Hunt war ein sogenanntes "Scholarship Kid", er wurde von den reichen Kindern verspottet, weil er sich die Ausbildung an der privaten Harvard School for Boys in Los Angeles nur dank Stipendien leisten konnte. Aber das ließ er nicht auf sich sitzen. Irgendwann fuhr er im schicken Sportwagen vor und dinierte wie die anderen in Edelrestaurants. Er musste also irgendwie an Geld gekommen sein, und all die reichen Kinder, denen die Eltern mit vorgezeichneten Karriereplänen auf die Nerven gingen, wollten wissen, wie er das so schnell angestellt hatte. Eines war ihnen jedenfalls klar: Dieses Scholarship Kid musste ein schlaues Kerlchen sein.

1983, mit 23 Jahren, gründete Hunt den Billionaire Boys Club. Er brachte mehr als 25 seiner ehemaligen Klassenkameraden mit der Aussicht auf unfassliche Renditen dazu, ihm viel Geld zu geben, das er angeblich innerhalb kürzester Zeit verdoppelte. Die Mitglieder des Clubs ließen sich die Gewinne nicht auszahlen, sondern investierten in ihrer Gier immer weiter und lockten neue Investoren an. Das Geld nutzte Hunt dazu, seinen Lebensstil zu finanzieren und den schönen Schein aufrechtzuerhalten. Der Billionaire Boys Club war berühmt und berüchtigt in Los Angeles, fast jeder kannte die reichen Jungs, die scheinbar mit jedem Tag noch ein bisschen reicher wurden.

Ein Jahr nach der Klubgründung hatte Hunt eine Million Dollar verprasst und verzockt, er brauchte dringend frisches Geld. Die Not des Betrügers lockte einen anderen notorischen Betrüger an, Ron Levin. Er hinterlegte fünf Millionen Dollar auf einem Maklerkonto und gaukelte Hunt vor, er dürfe nach eigenem Gutdünken darüber verfügen und mit Immobilien spekulieren - wenn er selbst vier Millionen Dollar einzahle. Hunt fiel darauf herein, kurz darauf waren die vier Millionen Dollar vom Konto verschwunden - und ein paar Wochen später Levin wie vom Erdboden.

Eine Leiche wurde nie gefunden. Dennoch wurde Hunt 1987 wegen Mordes zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf Bewährung verurteilt. Seit 34 Jahren sitzt er nun schon im Folsom State Prison in der Nähe von Sacramento, Häftlingsnummer D61863. Tragendes Beweismittel in dem Prozess war eine handschriftliche Notiz von Hunt, die in Levins Haus gefunden wurde - eine Art To-do-Liste für den Mord. Darauf war zu lesen: "Vorhänge schließen, nach Aufnahmegeräten suchen, Mund abkleben, fesseln, Handschuhe anziehen, die Situation erklären, den Hund umbringen." Zudem bezeugten neun Mitglieder des Billionaire Boys Club, dass Hunt damit geprahlt habe, das perfekte Verbrechen begangen zu haben, und dass die Polizei Levins Leiche niemals finden würde: "Ich habe gesagt, dass ich ihn losgeworden bin. Das wurde mir als Geständnis ausgelegt." Es sei Ironie der Geschichte, dass ihm, dem notorischen Lügner, in dieser Situation seine Prahlerei geglaubt worden sei.

Er arbeitet als Mesner in der Gefängniskirche und gibt sich geläutert

Hunt ist mittlerweile 58 Jahre alt, er behauptet, dass er Levin damals nur habe erschrecken wollen, um ihn zur Herausgabe eines Schecks in Höhe von 1,5 Millionen Dollar zu zwingen. Er habe Levin nicht ermordet, der habe sich vielmehr mit der Beute ins Ausland abgesetzt. "Ich hätte doch jetzt eine bessere Chance auf Bewährung, wenn ich das Verbrechen zugeben würde", sagt Hunt der Agentur AP: "Ich bin jedoch unschuldig. Das ist keine Lüge."

Er hat ein Gnadengesuch an Gouverneur Brown geschrieben, der zu Beginn seiner zweiten Amtszeit vor knapp acht Jahren versprochen hat, das Justizsystem zu reformieren und die Gefängnisse zu leeren. Im Folsom State Prison zum Beispiel sitzen derzeit mehr als 2300 Häftlinge ein, die Maximalkapazität beträgt eigentlich 2066. In den vergangenen Monaten hat Brown 18 Häftlinge mit jeweils lebenslangen Strafen begnadigt, und es heißt, dass er bis zur Amtseinführung seines Nachfolgers noch weitere Insassen freilassen wolle. Hunt möchte einer von ihnen sein.

Hunts Familie fährt eine Freilassungskampagne, seine Schwester Katherine hat die Webseite FreeJoeHunt.com eingerichtet, auf der dafür geworben wird, in Kalifornien die Strafe "life without possibility of parole" (lebenslang ohne Aussicht auf Bewährung) abzuschaffen. Außerdem existieren entsprechende Accounts auf Facebook, Twitter und Instagram. Hunt arbeitet mittlerweile als Mesner in der Gefängniskirche und half kürzlich einem anderen Insassen bei dessen erfolgreichem Gnadengesuch. "Ich habe in jungen Jahren ordentlich Mist gebaut und anderen geschadet", sagt er: "Ich habe daraus gelernt und kümmere mich seitdem um das Wohl anderer."

Ist Hunt ein Geläuterter? Oder trickreich wie eh und je, geschickt darin, die Leute um den Finger zu wickeln? "Er ist ein notorischer Lügner, der sein Leben lang nur betrogen hat", sagt Leslie Zoeller, der damals für die Polizei von Beverly Hills die Ermittlungen geleitet hat, der SZ am Telefon: "Meiner Meinung nach bewegt er sich an der Grenze zum Psychopathen, und der plant gerade seinen letzten Coup." Gouverneur Brown hat sich bislang nicht zu Hunts Gnadengesuch geäußert.

Joe Hunts Geschichte ist kürzlich im Kino zu sehen gewesen. Der Film "Billionaire Boys Club" allerdings hat am ersten Tag nur 126 Dollar eingespielt. Grund dafür ist nicht, dass es keine irre Geschichte wäre - vielmehr wird Ron Levin von Kevin Spacey gespielt. Der gehört nach Vorwürfen der sexuellen Nötigung zum Club der ungewollten Schauspieler.

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