Süddeutsche Zeitung

USA:"Hate Crime" befürchtet: Amerikaner erschießt Inder

Lesezeit: 3 Min.

Von Beate Wild, New Orleans

In einer Bar in Olathe, einem Vorort von Kansas City im US-Bundesstaat Kansas, hat ein US-Bürger einen Inder getötet und zwei weitere Männer angeschossen. Zeugen berichten, der Schütze habe "verschwindet aus meinem Land" sowie andere rassistische Beschimpfungen gerufen, bevor er das Feuer eröffnete. Der Vorfall fand bereits am Mittwoch statt, erhält aber nun große mediale Aufmerksamkeit.

Das FBI hat sich inzwischen eingeschaltet und ermittelt gegen den 51-jährigen mutmaßlichen Täter. Es geht nicht nur um vorsätzlichen und versuchten Mord, sondern auch um das möglicherweise rassistische Motiv: Der Fall würde dann als sogenanntes "Hate Crime" eingestuft und deutlich härter bestraft.

Einer der beiden Inder, der 32-jährige Srinivas Kuchibhotla, erlag kurz nach der Tat im Krankenhaus seinen Verletzungen. Der zweite Mann, der ebenfalls 32-jährige Alok Madasani, wurde von den Kugeln getroffen, konnte aber inzwischen aus der Klinik entlassen werden. Schwerer verletzt wurde der 24 Jahre alte Ian Grillot, ein weiterer Gast, der versuchte, den Täter zu stoppen. Grillot, ein US-Amerikaner, befindet sich derzeit noch in der Klinik.

Offenbar wurde der Täter kurz vor der Schießerei der Bar verwiesen. Ein Stammgast erzählte der Washington Post, er habe "irgendwie verstört" gewirkt und "ziemlich schnell getrunken".

Nach seinem Rauswurf aus dem Lokal soll er laut Zeugenberichten zurückgekommen sein und die zwei indischen Gäste rassistisch beleidigt haben. Dann habe er die Waffe gezogen und auf sie geschossen. Augenzeugen zufolge glaubte der Mann offenbar, die beiden seien aus dem Nahen Osten. Die beiden Männer sind mit dem Arbeitsvisum H1B im Land und Software-Ingenieure beim Navigationsgerätehersteller Garmin.

In einem Video, das die Uni-Kliniken in Kansas City, Kansas, veröffentlichten, erzählt der von Kugeln getroffene Augenzeuge Grillot, er habe sich zunächst unter einem Tisch versteckt, als die Schießerei losging. Nachdem neun Schüsse abgefeuert worden waren, habe er vermutet, das Magazin des Schützen sei leer und sich deshalb entschlossen, einzugreifen. Doch er irrte sich.

"Ich näherte mich von hinten an und er drehte sich um und schoss auf mich", erzählt Grillot. Die Kugeln gingen durch seine rechte Hand, seine Brust und seinen Hals. Nur knapp verfehlten sie seine Halsschlagader.

Möglicherweise ein "Hate Crime"

Die Polizei hat bislang nicht viele Details zu der Attacke veröffentlicht. FBI-Ermittler Eric Jackson sagte, nun werde untersucht, ob der Täter aus rassistischen Motiven gehandelt habe.

Als "Hate Crime" wird ein Verbrechen bezeichnet, wenn das Opfer wegen seiner Rasse, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, körperlicher oder geistiger Behinderung ausgewählt wurde. Als eindeutiges Indiz für ein "Hate Crime" gilt etwa, wenn der Täter das Opfer mit rassistischen Beleidigungen einschüchtert. Auch Vandalismus oder Graffiti können als "Hate Crime" eingestuft werden, beispielsweise wenn ein Hakenkreuz an eine jüdische Einrichtung gemalt wird.

Sollte das FBI die Aussagen der anderen Gäste, der Schütze habe rassistische Beschimpfungen gerufen, als wahrheitsgemäß einstufen, dürfte der Tatbestand eines "Hate Crimes" gegeben sein.

Ein Mitarbeiter eines anderen Restaurants, in das der mutmaßliche Täter nach seiner Tat flüchtete, berichtet, der Mann habe erzählt, "zwei Männer aus dem Nahen Osten" getötet zu haben.

Der Verdächtige wurde erst sechs Stunden nach der Schießerei festgenommen und sitzt derzeit in Henry County, Missouri, in Untersuchungshaft. Der Staatsanwalt hat seine Kaution auf zwei Millionen Dollar festgesetzt.

Sind Ausländer nicht mehr sicher?

Verwandte der beiden Männer in Indien sagten, sie fürchten, dass die Attacke in Verbindung mit der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit in den USA stehe. Die Xenophobie in Amerika bedeute, dass das Land kein sicherer Ort für Inder sei.

"Es ist nicht gut, dass sich diese Art der Hysterie ausbreitet, da so viele unserer geliebten Kinder dort leben", sagte der Vater des getöteten Software-Entwicklers, zu Reportern. Der Vater des anderen Opfers sagte der Hindustan Times, die USA sei nach der Wahl von Präsident Donald Trump kein Land mehr, in das man seine Kinder schicken sollte. Er hoffe, dass sein Sohn nun zurück nach Indien komme.

Aus Indien sind Tausende Software-Ingenieure mit dem Arbeitsvisum H1B in die USA gekommen. Es erlaubt ausländischen Arbeitskräften zeitlich befristet im Land zu bleiben. Vor allem Technologie-Unternehmen im Silicon Valley sind auf die ausländischen Programmierer angewiesen.

Viele Vertreter von Minderheiten in den USA haben in jüngerer Zeit Sorge über die Atmosphäre in den USA geäußert. Donald Trump hatte bereits im Wahlkampf auf eine ethnisch-nationalistische Rhetorik zurückgegriffen; als Präsident hat er einen Einreisestopp für mehrere Länder angeordnet und die Abschiebung illegaler Migranten forciert. Dem FBI zufolge haben rassistisch motivierte Verbrechen in den USA im vergangenen Jahr zugenommen.

Die Frau des getöteten Programmierers sagte auf einer Pressekonferenz seines Arbeitgebers Garmin, sie hätte sich schon früher Sorgen wegen der hohen Waffengewalt in den USA gemacht und darüber nachgedacht, ob sie nicht lieber nach Hause zurückkehren sollten. Ihr Mann habe dagegen immer an das Gute in Amerika geglaubt. Wegen der Vorkommnisse in den USA lebten Minderheiten in Angst, so die Frau weiter.

Die indische Außenministerin Sushma Swaraj schrieb am Freitag auf Twitter: "Ich bin schockiert wegen der Schießerei in Kansas, bei der Srinivas Kuchibhotla getötet wurde. Mein herzliches Beileid der trauernden Familie".

Das Weiße Haus wies indes jede Mitverantwortung von sich. Jeder Verlust des Lebens sei tragisch, hieß es in einer Stellungnahme, aber es sei absurd, der Rhetorik des Präsidenten Schuld an der Schießerei in Kansas zu geben.

Der Leichnam des Opfers soll nun zur Bestattung in seine Heimat Hyderabad überführt werden.

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