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USA:Fünf Gründe, warum Michelle Obama als First Lady fehlen wird

Wie Michelle Obama im Wahlkampf Donald Trump die Grenzen aufgezeigt hat - und welcher Satz von ihr in Erinnerung bleiben wird.

Von Johanna Bruckner, New York

Michelle Obama hätte 2009 alle Möglichkeiten gehabt, sich aus erster Hand über ihre anstehende Aufgabe zu informieren. 45 Frauen bewohnten vor ihr als First Lady das Weiße Haus oder eine andere Residenz. Viele dieser Frauen veröffentlichten später Memoiren, in denen sie das Leben im berühmtesten Präsidentensitz der Welt reflektierten - und ihre eigene Rolle in Haus und Staat.

Helen Taft etwa, Präsidentengattin von 1909 bis 1913, sah sich genötigt, ihrer Autobiografie eine Einschränkung voranzustellen: "Ich versuche in dieser Erzählung nicht, mich als Frau darzustellen, die über ein spezielles Verständnis von Staatsangelegenheiten verfügt, wie es allein Männer haben, die dafür ausgebildet wurden." Lady Bird Johnson, Ehefrau des Kennedy-Nachfolgers Lyndon B. Johnson, nahm in ihrem begehbaren Kleiderschrank im Weißen Haus Dutzende Tonbänder auf und archivierte Gästelisten und sogar Menükarten.

Nur: Michelle Obama las kein einziges dieser Bücher. "Ich wollte nicht davon beeinflusst werden, wie sie die Rolle definiert haben", erzählte sie in diesem Jahr Oprah Winfrey. "Ich wusste, dass ich die Rolle für mich selbst finden muss, für die Person, die ich bin."

Eines steht nach den vergangenen acht Jahren fest: She did it her way - und wie! Fünf Gründe, warum sie als First Lady fehlen wird.

1) Weil sie cool war.

Ein amerikanisches Präsidentenpaar, das ganz selbstverständlich und lässig die sozialen Medien nutzt? Eine First Lady, die Snapchat-Videos mit Flower-Power-Filter verschickt? So etwas hat es vor den Obamas nicht gegeben. Barack und Michelle Obama waren nicht einfach Präsident und First Lady, sie waren Entertainer. Beide saßen wiederholt in den wichtigen Late-Night-Shows, in der Tonight Show von Jimmy Fallon gibt die First Lady am Mittwochabend ihr allerletztes TV-Interview in dieser Funktion.

Immer wieder zeigten die Obamas, dass sie Humor haben - und populäre Unterhaltungsformate lieben: Barack trank Kaffee im Auto mit Jerry Seinfeld und Michelle sang Karaoke im Auto mit James Corden. Dem Moderator der Late Late Show verriet die First Lady (allen, die das bis dato noch nicht mitbekommen hatten), welche Codenamen sie und Ehemann Barack beim Secret Service haben ("Renaissance" und "Renegade"). Und sie beantwortete die Frage, ob sie den 24-Stunden-Room-Service im Weißen Haus vermissen werde. Zitat: "I will not. I make a mean grilled cheese sandwich myself."

Wenn Michelle Obama geht, verliert nicht nur die amerikanische Politik. Auch die Popkultur verliert ein Stück politischen Glamour. Mic drop, um es mit Ehemann Barack auszudrücken.

2) Weil sie emotional war.

Im Wahlkampf war Michelle Obama die bessere Hillary Clinton. Ihr nahm man ab, dass sie sich für die Menschen und Dinge interessierte, über die sie sprach. Mancher sah Michelle Obama schon als künftige Bewerberin um das Präsidentenamt. Sie selbst hat immer wieder betont: Diese Bürde wolle sie ihrer Familie nicht ein weiteres Mal aufladen. Einfühlungsvermögen und Anteilnahme - Michelle Obama weiß, dass diese Fähigkeiten Frauen im Weg stehen können. Dass sie dazu führen können, dass Frauen ihre eigenen Bedürfnisse und Ziele vergessen. Michelle Obama war acht Jahre lang eine selbstbestimmte und eine mitfühlende First Lady.

Manches war Symbolpolitik, wie 2014, als sie die Kampagne #BringBackOurGirls für die von der Terrormiliz Boko Haram in Nigeria entführten Schülerinnen unterstützte. Aber Michelle Obama war auch eine First Lady, die immer wieder zur Stelle war, wenn es darauf ankam: Nach Bekanntwerden des sogenannten Locker-Room-Tapes von Präsidentschaftsbewerber Donald Trump sprach sie das unpopuläre Thema Diskriminierung und sexuelle Belästigung von Frauen an. Mitten in der heißen Phase des vergangenen Wahlkampfs. Ein derartiges Verhalten sei "unwürdig und nicht zu tolerieren". Passendere und deutlichere Worte fand niemand.

3) Weil sie authentisch war.

Gesunde Ernährung und Sport - ausgerechnet. Mancher Beobachter war zunächst enttäuscht, weil die neue First Lady doch wieder Themen besetzte, die traditionell Frauensache sind im Weißen Haus. Michelle Obama ließ am Weißen Haus einen Gemüsegarten anlegen und pflanzte mit benachteiligten Kindern Zucchini an. Ein anderes Mal trat sie gegen Moderatorin Ellen DeGeneres im Liegestütz-Duell an - und gewann. Solche Aktionen produzierten nebenbei schöne Fotos, die das Image der Obamas als Power Couple festigten.

Er, der souveräne Staatsmann, der nach einem Tag, an dem er die Weltpolitik mitbestimmt hat, vor dem Weißen Haus aus dem Hubschrauber steigt und dynamischen Schrittes zu Frau und Kindern heimkehrt. (Michelle Obama selbst bezeichnet den Gang ihres Mannes im Übrigen anerkennend als "swagalicious".) Und sie, die toughe Familienmanagerin, die immer betont, dass ihre Töchter für sie an erster Stelle stehen, und die es trotzdem schafft, das ganze Land gesünder und fitter zu machen.

Diese Inszenierung hätte aufgesetzt wirken können. Doch Michelle Obama nahm man die Begeisterung für ihre Themen ab. "Präsident zu sein, ändert nicht, wer du bist - es legt offen, wer du bist", sagte sie einmal über ihren Mann. Sie hätte es auch über sich selbst sagen können.

4) Weil sie stylisch war wie keine First Lady zuvor.

Manchmal sagen Bilder mehr als tausend Worte. Dies ist so ein Fall:

5) Weil sie ein Vorbild für Frauen und Männer war.

"When they go low, we go high." Wenn man einen einzigen Satz von Michelle Obama bestimmen sollte, der in Erinnerung bleibt, es wäre vielleicht dieser. Übersetzen lässt er sich in etwa so: Wenn sie niederträchtig handeln, handeln wir vorbildlich. "Sie" - damit waren im konkreten Fall Donald Trump und sein Wahlkampfteam gemeint.

Es ist ein Satz, der für Michelle Obama steht, für ihr Selbstverständnis und ihre Werte. Junge Menschen, vor allem junge Mädchen und Frauen dazu ermutigen, sich weiterzubilden, ehrgeizig zu sein und sich nicht beirren zu lassen, Bildung als Schlüssel zu einem besseren Leben - das ist eine der wichtigsten Botschaften der scheidenden First Lady. Auf einer Podiumsdiskussion im Sommer sagte Michelle Obama: Die beste Rache an jemandem, der nicht an einen glaube, sei Erfolg. Zu diesem Erfolg aller jungen Amerikaner unabhängig von Hautfarbe und Herkunft will sie beitragen. Das ist ihr letztes Versprechen als First Lady.

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