USA: Später Nachlass:Wellingtons exzentrische Erbschaft

Wellington Burt war einst ein Selfmademillionär, nur Henry Ford soll dickere Schecks ausgestellt haben als er. Mehr als 92 Jahre nach dem Tod Burts wird dessen Testament vollstreckt - er wollte sichergehen, dass kein Verwandter etwas bekommt, den er persönlich kannte.

Lena Jakat

Es ist sein bisher kompliziertester Fall und einer der langwierigsten in der Geschichte des US-Bundesstaates Michigan. Nach 92 Jahren wird Patrick McGraw, Bezirksrichter in Saginaw County, die Akte Burt in der kommenden Woche schließen. Wellington Burt war ein Industrieller, ein reicher, exzentrischer Mann, der Rennpferde hielt, viele Hausangestellte hatte und gerne zum Dinner 15 Gänge einnahm.

Wellington R. Burt

Wellington Burt verfügte in seinem Testament, dass kein Verwandter, den er noch persönlich kannte, etwas von ihm erbt.

(Foto: ddp images/AP/Saginaw News archi)

Seit dem 2. März 1919 ruht er in einem Mausoleum aus weißem Marmor auf dem örtlichen Friedhof. In seinem Testament verfügte Burt, dass sein Vermögen erst dann freigegeben werden solle, wenn der letzte seiner Enkel, die er selbst noch kennenlernte, 21 Jahre lang tot ist. Am 21. November vergangenen Jahres ist diese Frist abgelaufen. Nun werden zwölf Nachkommen das Erbe antreten - insgesamt geht es inzwischen um etwa 100 Millionen Dollar.

Richter McGraw ist froh, den Fall endlich abzuschließen. "Es fühlt sich gut an", sagt er der SZ. "Unser Standard für die Bearbeitung eines Falls ist eigentlich ein Jahr", sagt der Jurist. Drei Tage lang haben die Anwälte der Erben getagt und sich schließlich außergerichtlich geeinigt. Zwölf Nachkommen Burts, zwischen 19 und 94 Jahre alt, werden jeweils zwischen fünf und 15 Millionen Dollar erhalten. Von einem Mann, der bis zu fünf Generationen vor ihnen lebte: Wellington Burt, ein Bauernjunge aus dem Bundesstaat New York, reiste in jungen Jahren an Bord von Frachtschiffen um die Welt, kam bis nach Südamerika und Tasmanien. Mit 26 kehrte er zurück in die Vereinigten Staaten und verdiente während des "grünen Goldrauschs" Ende des 19. Jahrhunderts ein Vermögen in der Holzindustrie.

Mit Investitionen in Eisenerzminen stieg Burt auf zu einem der reichsten Männer der Vereinigten Staaten. Nur der Automobilpionier Henry Ford konnte zu jener Zeit in Michigan dickere Schecks ausstellen, geht die Legende. Derart groß war sein Reichtum, dass sich sogar eine marode Bank aus Kanada Geld bei ihm lieh. Gegen Ende seines Lebens hielt Burt Anteile von Firmen in Russland, China und Südamerika. Zwar zeigte sich der Selfmademan gegenüber seiner Heimatstadt Saginaw durchaus spendabel, stiftete ein Klinikum, einen Gemeindesaal und einen Jugendclub. Noch heute erinnert dort eine nach ihm benannte Straße an den Industriellen, über die Großen Seen tuckerte einst ein Raddampfer, der seinen Namen trug.

Millionenschwerer Fluch

Doch Burt hatte auch eine äußerst geizige Seite. So soll der Millionär einmal einen Stallmeister entlassen haben, nur weil ihm die Pferde des Sägewerks zu gut genährt erschienen. Burt war niemand, der lange fackelte. Mehrmals änderte er sein Testament, mal schloss er eine ungeliebte Tochter aus, mal andere mit ein. So strich er nach einem Steuerstreit kurzerhand kommunale Einrichtungen in Saginaw von der Liste der Begünstigten.

Ähnlich muss es sich mit seiner eigenen Familie zugetragen haben. Genaues über den Zwist in der Familie Burt ist nicht bekannt. Fest steht nur, dass, mit Ausnahme des Lieblingssohns und einer Tochter, die sechs Kinder nach seinem Ableben mit jährlichen Zahlungen von 1000 bis 5000 Dollar abgespeist wurden - genauso viel hatte Burt auch Koch, Kutscher und anderen Bediensteten hinterlassen. Der Rest des Vermögens blieb unter Verschluss.

"Es kommt schon vor, dass ein Testament mit einer Frist versehen wird", sagt Richter McGraw. "Meist ist diese allerdings nicht so lang und meist gibt es nicht so viel zu erben." Im deutschen Erbrecht ist ein Fall wie in der Burt-Familie nicht denkbar. Hier gilt im Grundsatz, dass im Testament nur bedacht werden kann, wer zu diesem Zeitpunkt schon lebt. Burts exzentrischer letzter Wille wurde von den missachteten Nachfahren mehrmals angefochten, kurz nach seinem Tod und in den vierziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Zwar waren die Kläger teilweise erfolgreich. Im Kern aber wurde das Vermögen, das "Goldene Ei", wie Burt es selbst nannte, nie angetastet. "Ich glaube, er war ein Macher-Typ", sagt McGraw, der sich seit zwölf Jahren mit dem Fall beschäftigt, "der nicht wollte, dass seine Kinder faul werden und sich auf dem Erbe ausruhen."

Burts Nachkommen lehnen es ab, mit der Presse über den späten Geldsegen zu sprechen. Das gilt auch für Christina Alexander Cameron. Die 19 Jahre alte High-School-Absolventin ist eine Ur-Ur-Urenkelin Burts und die jüngste Erbin. Von ihrem Anwalt heißt es, auf seinen Rat hin sage sie nichts mehr zu der Sache. Vor zwei Wochen noch hatte die junge Frau der Lokalzeitung Saginaw News ein Interview gegeben. Ihr Anteil - voraussichtlich fünf Millionen Dollar - sei für sie auch eine Art Fluch, sagte Cameron damals: Sowohl ihr Großvater als auch ihre Mutter hatten ihr Leben lang auf die Millionen gewartet - vergeblich. Beide starben im vergangenen Jahr, vor Ende der testamentarischen Frist. "Ich will lieber nicht auf das Geld angewiesen sein", so Cameron. Das Erbe habe sie mit ihrem Urahnen "unangenehm vertraut" gemacht.

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