Man kann nicht behaupten, dass die Eltern von Michael Rotondo es nicht versucht hätten. Zuerst boten sie ihrem Sohn Geld (1100 Dollar Startkapital) und gute Ratschläge: "Verkauf deine Stereoanlage, deine Werkzeuge. Such dir einen Job!" Hilfsangebote: "Deine Mutter würde dir helfen, eine Wohnung zu finden." Dann folgten Briefe, mal freundlich bestimmt: "Wir haben entschieden, dass du das Haus sofort verlassen musst." Mal drohend und verzweifelt: "Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass du dich bereit machst, zu gehen. Bedenke, dass wir alle nötigen Maßnahmen ergreifen werden, damit du das Haus verlässt."
Es half alles nichts. Michael Rotondo, ihr 30-jähriger Sohn, wollte einfach nicht ausziehen.
Wenn Tierbabys das Nest nicht verlassen wollen, werden sie vertrieben. Mit Knurren, Schieben und Beißen. Mark und Christina Rotondo haben im April ihren Sohn schließlich verklagt, berichten die Nachrichtenseite Syracuse.com und der Guardian. Jetzt, zum Gerichtstermin, erschien Michael Rotondo - lange Haare, Bart und Brille - im Anzug und mit Krawatte. Wohl nicht von Mama gebügelt, denn um seine Wäsche kümmere er sich selbst, wie er gegenüber Richter Donald Greenwood versicherte. Auch kochen tue er selbst.
Was klingt wie der Extremfall eines Nesthockers, ist aber doch komplizierter: Michael Rotondo hat nämlich tatsächlich schon einmal den Mut aufgebracht, sein Elternhaus nahe der Stadt Syracuse im US-Bundesstaat New York zu verlassen und für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten. Nur funktionierte das offenbar nicht. Er verlor seinen Job und zog wieder zu seinen Eltern zurück. Alles nicht so schlimm, kann jedem passieren. Doch inzwischen ist das jetzt acht Jahre her.
Michael Rotondo vertrat sich selbst vor Gericht und argumentierte mit einem ähnlichen Fall, bei dem jemand sechs Monate Gnadenfrist zugesprochen bekam, bevor er das Haus verlassen musste. So ganz überzeugen konnte er damit aber nicht. Sein Argument sei das Ergebnis einer simplen Internetrecherche, sagte der Richter. Mit anderen Worten: abgelehnt!
Das Ergebnis der Verhandlung war dann abzusehen: Michael Rotondo muss von zu Hause ausziehen. Wann genau, steht noch nicht fest. Die Eltern sollen einen Termin festlegen, sagte der Richter. Der Sohn trat anschließend vor die Kameras und erklärte, während er sich die langen Haare zu einem Zopf zusammenband, dass er zuversichtlich sei, 30 Tage Zeit zu bekommen. Und er werde diese nutzen, um in Berufung zu gehen. Außerdem habe er ja einen Beruf. Auf die Frage, was er mache, antwortete er: "Das geht nur mich etwas an."
Dann machte er sich auf den Heimweg - zu seinen Eltern.