USA:Die Spuren, die Trump im Alltag hinterlässt

Trump

Trump spaltet sein Land: Ein Teil jubelt über seinen Natinalstolz - der andere wirft ihm einen Alleingang vor.

(Foto: picture alliance / AP Images)

In Trumps ersten Amtsjahr hat sich das gesellschaftliche Klima in den USA gewandelt. Vor allem für Migranten und Muslime. Doch auch Europäer spüren die Veränderung.

Von Johannes Kuhn und Beate Wild, Austin

Wer möchte, kann so tun, als hätte sich in den vergangenen 365 Tagen nichts verändert. Ausreichend Geld und eine weiße Haut vorausgesetzt. Dieses Land ist groß, nicht nur geographisch: Man muss sich der Realität nicht stellen, wenn man nicht will - oder kann sie nur bequem auf dem Fernsehbildschirm oder durch das Autofenster betrachten.

Für unsere Bekannte Sofía ist das nicht so einfach: "Seit Trump Präsident ist, lebe ich in ständiger Angst", erzählt sie. Sofía ist als Teenager vor 17 Jahren illegal aus Mexiko in die USA gekommen, ihr Ehemann ist ebenfalls undokumentiert. Die drei Kinder sind in den USA geboren und deshalb US-Bürger. "Wenn ich aus dem Haus gehe, gucke ich mich um, ob die Migra [die Einwanderungsbehörde, Anm. d. Red.] schon auf mich wartet und mich gleich festnimmt." Aus dem Versuch, nicht negativ aufzufallen, ist ein Versteckspiel geworden.

Eine ihrer Freundinnen, ebenfalls Latina, wurde jüngst im Bus beschimpft und angegriffen. "Eine Frau hat ihr auf den Kopf geschlagen und gesagt, sie soll abhauen aus ihrem Land." Tatsächlich haben Sofía und ihr Ehemann schon überlegt, zurückzugehen. Doch solange ihre Kinder noch nicht volljährig sind, ist das eigentlich unmöglich. "Wir können sie ja nicht zurücklassen hier. Und sie mit nach Mexiko nehmen geht auch nicht. Sie kennen nichts anderes als die USA. Sie sind Amerikaner, keine Mexikaner."

Es hat sich etwas verändert im gesellschaftlichen Klima. Auch wenn Europäer am Anfang immer überrascht sind, wie stark sich die Lebensräume entlang ethnischer Herkunft anordnen: An guten Tagen ist es ein entspanntes Neben- und Miteinander. Oft überbrücken Beruf, Hobby oder Liebe die Fremdheit. Doch unter dem 45. US-Präsidenten spielt die Rasse wieder eine größere Rolle.

Mit dem Messer bedroht, weil Muslim

Ali kann davon erzählen. Der Uber-Fahrer, der einen um 23 Uhr abends nach dem Stammtisch nach Hause fährt, kommt aus Jordanien. Der 25-Jährige lebt schon seit vielen Jahren in den USA. Legal, wohlgemerkt.

Kurz vor dem Aussteigen stellt er etwas verdruckst eine Frage: "Hey, du bist ja auch Ausländerin wie ich. Darf ich dir eine Geschichte erzählen?" Und erzählt wie ein Fahrgast ihn neulich gefragt habe, woher er komme. "Jordanien", antwortete Ali. "Bist du ein Muslim?", fragte der Mann, ein weißer Texaner.

Als Ali bejahte, begann der Mann ihn zu beschimpfen: Er solle doch abhauen oder plane er gerade einen Terroranschlag? Trump habe schon recht mit dem Muslim-Bann. Ali hielt das Auto an, wollte den Typen rauswerfen. Doch der zog ein Messer und hielt es ihm an den Hals. "Ich bring dich um", habe er dauernd gerufen. Weil Ali heimlich die Polizei anrief und mithören ließ, wurde der Mann am Ankunftsort verhaftet.

"Seit Trump Präsident ist, ist es für uns Muslime wirklich sehr schlimm geworden", sagt Ali. "Die Vorfälle häufen sich. Nicht nur ich erlebe das, auch alle meine Freunde. Ich hätte nie gedacht, dass dieses Land so rassistisch sein kann." Vielleicht werde er sich künftig als Italiener ausgeben.

Sind diese Geschichten repräsentativ für das Land? Die USA haben ihre guten Seiten immer gerne gezeigt, die Freundlichkeit und die Unterschiede unter der gemeinsamen Flagge, die private Hilfsbereitschaft und den Optimismus. Seine dunklen Seiten kann das Land meist verstecken, in den überfüllten Gefängnissen von Louisiana, den Obdachlosen-Camps unter den Stadtautobahnen Kaliforniens oder hinter den Mauern jener Eigenheime in allen Ecken des Landes, wo nicht nur physische Schmerzen mit Opiaten bekämpft werden.

Was ist das "echte" Amerika?

Viele Amerikaner wissen selber nicht, welche Seite die "echte" ist - das Land ist viel zu groß. Doch zumindest die Anhänger der Demokraten wollen es vermehrt herausfinden. Seit Trumps Amtseinführung wollen sie häufiger über Politik reden als noch unter seinem Vorgänger Obama. Egal ob Vermieter, Nachbarn, Bar-Bekanntschaften oder die Menschen im Yoga-Studio.

Meist checkt man dabei erst einmal ab, wie das Gegenüber politisch tickt. Erst wenn die Haltung nicht so weit voneinander entfernt ist, lässt man sich auf tiefere Gespräche ein. Auf Gespräche, die manchmal einfach daraus bestehen, über Trump zu lästern oder vom Familienkrach zu erzählen, den es mit der konservativen Verwandtschaft gibt.

Mit Republikanern dagegen lassen sich heute noch Stunden verbringen, ohne dass ein politischer Satz fällt. "Ach, Du willst schon wieder über Trump reden", sagt Jerry, ein älterer Bekannter. "Natürlich soll er sich anständiger verhalten. Aber ich bin hochzufrieden." Vor der Wahl hatte Jerry noch erklärt, die Zeiten seien andere als er sich das wünsche, zu viel verändere sich. Der Jugend gehörte nunmal die Zukunft. Seit der Wahl ist er froh, dass die Zeiten die alten bleiben.

Die Trump-Wahl hat viele Freundschaften beendet und Familien entzweit. Eine Bekannte, die für Hillary Clinton gestimmt hat, wurde von einer Republikanerin entfreundet - auf Facebook und im echten Leben. Die beiden hatten kein gemeinsames Gesprächsthema mehr und konnten sich wegen unterschiedlicher politischer Ansichten plötzlich nicht mehr leiden. Andere unterdrücken einfach die Facebook-Statusmeldungen von Cousins und Tanten und versuchen, das politische Gespräch zu meiden.

Spott in Mexiko: Trump ist ein Verrückter

Erstmals seit dem Irak-Krieg unter George W. Bush haben einige US-Amerikaner wieder Sorge, wie sie in Europa wahrgenommen werden. Unsere Nachbarn in New Orleans zum Beispiel: Harry, ein Lehrer, ist euphorischer Bernie-Sanders-Anhänger und half sogar im Wahlkampf. Bevor er und seine Freundin in den Deutschlandurlaub aufbrachen, fragten sie voller Sorge: "Was denken die Deutschen denn nun über uns Amerikaner? Hassen sie uns wegen Trump? Werden einige vielleicht sogar uns gegenüber aggressiv sein?"

Dass sich das Bild der USA im Ausland geändert hat, stimmt natürlich. Zum Beispiel in Mexiko: Trump hat die direkten Nachbarn mehrmals bis auf Äußerste provoziert, die Mexikaner beleidigt und die Regierung unter Druck gesetzt. Als wir den vergangenen Sommer längere Zeit im Land verbrachten, mischte sich unter die Sorge über die Sperenzchen des großen Nachbarn allerdings auch Schadenfreude.

"Es un loco", das ist ein Verrückter, hieß es manchmal unter Gelächter. Und so einer als US-Präsident. Eigentlich habe man ja geglaubt, dass die Politiker des einst so seriösen Nachbarn nicht so einfach machen können, was sie wollen.

Beate Wild und Johannes Kuhn berichten für SZ.de aus den USA. Das erste Amtsjahr des 45. US-Präsidenten haben sie in New Orleans und Austin verbracht.

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