USA:Bundesrichter erklärt Todesstrafe in Kalifornien für verfassungswidrig

Das System der Todesstrafe sei beliebig und geprägt von unzumutbaren Verzögerungen: Ein Bundesrichter hat die Exekutionspraxis in Kalifornien für verfassungswidrig erklärt. In dem Westküstenstaat warten mehr Menschen auf ihren Tod als in jedem anderen US-Bundesstaat.

  • System der Todesstrafe "dysfunktional" und damit verfassungswidrig
  • In Kalifornien warten etwa 700 Verurteilte auf ihre Hinrichtung
  • Schritt in Richtung Abschaffung der Todesstrafe?

Bundesrichter nimmt Todesurteil zurück

Der behördliche Umgang mit der Todesstrafe in Kalifornien ist "dysfunktional", geprägt von massiven Verzögerungen und Willkür. Zu diesem Schluss ist ein US-Bundesrichter gekommen und hat die Todesstrafe dort für verfassungswidrig erklärt. Im konkreten Fall wurde das Todesurteil gegen Ernest Dewayne Jones zurückgenommen. Jones war 1995 wegen der Ermordung der Mutter seiner Freundin zum Tode verurteilt worden. "Zwei Jahrzehnte später bleibt Herr Jones in einer kalifornischen Todeszelle mit vollständiger Unsicherheit, wann oder ob die Exekution überhaupt kommen wird", schreibt der konservative Richter Cormac Carney.

Nur Bruchteil der Todesurteile wurde vollstreckt

Jones' Fall ist kein einzelner: Seit Wiedereinführung der Todesstrafe 1978 seien von den mehr als 900 verhängten Todesurteilen nur 13 vollstreckt worden, heißt es in der Urteilsbegründung. Laut der Anti-Todesstrafen-Organisation Death Penalty Information Center (DPIC) sitzen auf der Death Row, in den Todestrakten Kaliforniens, etwa 700 Menschen ein - mehr als in jedem anderen US-Bundesstaat.

Durch diese Verzögerungen seien aus Urteilen unzumutbare Strafen geworden, schrieb Richter Carney in seiner Begründung, die keine Jury und kein Gesetzgeber je verhängen würde: "Ein Leben im Gefängnis mit der entfernten Möglichkeit des Todes." Für die wenigen, die dann tatsächlich hingerichtet würden, wirke die Vollstreckung willkürlich und erfülle "keine abschreckende oder bestrafende Wirkung". Laut DPIC vergehen auch in anderen Bundesstaaten etliche Jahre zwischen Urteil und Vollstreckung. Am 1. Juli wurde demnach etwa in Florida ein Mann hingerichtet, der 30 Jahre zuvor verurteilt worden war.

Gegner der Todesstrafe begrüßen das Urteil

Menschenrechtsaktivisten werten die Entscheidung als Meilenstein auf dem Weg zur Abschaffung der Todesstrafe. Sie gerate dadurch noch stärker auf den Prüfstand, sagte die Vorsitzende der Nationalen Koalition für die Abschaffung der Todesstrafe (National Coalition to Abolish the Death Penalty, NCADP), Diann Rust-Tierney. Durch das dysfunktionale System seien die Todeskandidaten in Kalifornien "Folter ausgesetzt".

Todesstrafe in 32 US-Bundesstaaten

In 32 von 50 US-Bundesstaaten sieht das Gesetz die Möglichkeit der Todesstrafe vor. Seit 2004 haben sechs Staaten die Todesstrafe abgeschafft, in Oklahoma wurde sie nach dem Skandal um qualvolle Hinrichtungen per Giftspritze ausgesetzt. In Missouri wurde am Mittwoch allerdings ein vor 17 Jahren verurteilter Dreifachmörder per Giftspritze hingerichtet. John Middleton sei acht Minuten nach der Injektion gestorben, teilte ein Sprecher des Strafvollzugs mit. In der letzten Botschaft des 54-Jährigen hieß es: "Sie töten einen unschuldigen Mann."

Linktipps:

Wie die Hinrichtung mithilfe von Giftcocktails zu zynischen Experimenten verkommt, erläutert Markus Schulte von Drach in diesem Text.

Wo Staaten 2013 töteten: Hier finden Sie einen Überblick über die weltweite Verbreitung der Todesstrafe.

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