USA:Brutal viral

Lesezeit: 2 min

Debatte über unkontrolliert verbreitete Netzvideos nach tödlichen Schüssen auf TV-Journalisten.

Washington - Die tödlichen Schüsse auf zwei TV-Journalisten vor laufender Kamera in Virginia haben am Donnerstag die Berichterstattung vieler amerikanischer Medien beherrscht. Die Tat löste nicht nur eine Diskussion über den Umgang mit Waffen in den USA aus, sondern auch eine Debatte über die Möglichkeiten, Videos mit brutalen Darstellungen unkontrolliert in den sozialen Medien zu verbreiten.

Am Mittwochmorgen waren die Lokalreporterin Alison Parker, 24, und ihr Kameramann Adam Ward bei einem live im Fernsehen übertragenen Interview getötet worden. Der Täter war offenbar ein früherer Kollege. Er hatte die Schüsse selbst gefilmt und das Video auf Twitter und Facebook gestellt, wo es über die sogenannte Auto-Play-Funktion automatisch abgespielt wurde. Der Täter starb wenige Stunden später, nach einer 180 Kilometer langen Flucht, an Schussverletzungen, die er sich kurz vor seiner Festnahme selber zugefügt hatte.

Auf der Flucht stellte der Täter die grausamen Bilder ins Netz

Die Polizei gab den Namen des Mannes mit Vester L. Flanagan, 41, an. Für den Sender WDBJ7 hatte er unter dem Namen Bryce Williams gearbeitet. 2013 wurde er gefeuert, den Angaben zufolge bereits zum zweiten Mal. Ehemalige Mitarbeiter beschrieben ihn als "bizarre Persönlichkeit" und seltsamen Einzelgänger. Dem britischen Guardian zufolge hatte der Nachrichtenchef des Senders WDBJ7 Flanagan im Juli 2012 ein schriftliches Ultimatum gestellt: Kollegen fühlten sich durch sein "aggressives Verhalten bedroht", hieß es darin, wenn er sich keine ärztliche Hilfe suche, "müssen wir Ihnen leider kündigen".

Den Film von seiner Bluttat in einem Einkaufscenter sowie mehrere Bilder stellte Flanagan während der Flucht ins Netz. Zudem twitterte er weiter. Dies löste umgehend eine Debatte über den Zusammenhang von Gewalt, Waffen und sozialen Medien aus. Zwar wurden die Filme von Facebook und Twitter rasch entfernt, machten aber auf anderen Wegen weiter die Runde durchs Netz und schockierten User auf der ganzen Welt. Facebook hatte die jetzt scharf kritisierte Auto-Play-Funktion Ende 2013 eingeführt. Das automatische Abspielen von Videos soll ein besseres Nutzererlebnis schaffen, argumentiert die Plattform, die auf die Funktion nicht verzichten will. Sie gilt vor allem als Entgegenkommen für die Werbekunden, die so mehr Nutzer mit ihren Videos erreichen können.

Flanagans Motive blieben am Donnerstag unklar. Er hatte dem Sender ABC ein 23-seitiges, wirres Schreiben gesendet, in dem er unter anderem die tödlichen Schüsse auf Schwarze in einer Kirche in Charleston als Grund nannte. Er sprach von einem "Rassenkrieg" und davon, dass er als Schwarzer und Homosexueller dauernden Anfeindungen ausgesetzt gewesen sei.

Die Mitarbeiter des Senders gedachten am Donnerstag in einer Schweigeminute der Opfer. Die von Parker und Ward interviewte Frau, 62, die ebenfalls angeschossen worden war, befand sich offiziellen Angaben zufolge nach einer Operation auf dem Weg der Besserung.

© SZ vom 28.08.2015 / dpa, AFP, SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: