Süddeutsche Zeitung

Mordfall in den USA:"Tragisch und komplex"

Lesezeit: 2 min

Cyntoia Brown war noch ein Teenager, als sie einen Menschen erschoss. Das war im Jahr 2004. Brown, damals 16 Jahre alt, war von ihren Adoptiveltern geflohen und zur Prostitution gezwungen worden. Das Gericht verurteilte sie zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes und Raubes. Seither sitzt sie in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Tennessee. Nachdem sie dort fast ihr halbes Leben zugebracht hat, ist Brown nun begnadigt worden.

Das Urteil sei "zu harsch", begründete der Gouverneur von Tennessee, Bill Haslam, seine Begnadigung der heute 30-Jährigen. Der Fall sei "tragisch und komplex", sagte Haslam. Browns Schicksal war durch den Dokumentarfilm "Me - Facing Life - Cyntoia's Story" (2011) von Daniel Birdman einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden.

In den Aufnahmen des Films schildert Brown, wie sie Drogen konsumierte und an einen jungen Mann geriet, der sie in die Prostution trieb. Sie lebten in einem Motel, "Schläge, Würgen und Vergewaltigungen gehörten zum Alltag", sagt Brown in dem Film. Eines Tages sei sie wieder losgeschickt worden, um Geld zu verdienen, und geriet an einen Freier, der sie in sein Haus "voller Waffen" mitnahm und sie dort bedrohte. "Aus Notwehr" habe sie ihn mit einer Pistole aus ihrer Handtasche erschossen.

Das Gericht ließ das Notwehr-Argument nicht gelten, weil Brown auch Geld und Waffen des Todesopfers gestohlen hat und sie ihn erschossen haben soll, als dieser schlief. Die Richter verurteilten Brown wegen Mordes und Raubes zu einer lebenslangen Haftstrafe mit der Auflage, dass sie frühestens nach 51 Jahren aus dem Gefängnis entlassen werden dürfe.

Zahlreiche Prominente wie die Schauspielerin Ashley Judd, Reality-Star Kim Kardashian und Popsängerin Rihanna setzten sich in den letzten Jahren für die Freilassung Browns ein. "Etwas läuft gewaltig falsch, wenn das System Vergewaltiger begünstigt und das Leben eines Opfers einfach so wegwirft", kritisierte Rihanna. "Cyntoia wird lebenslänglich verurteilt, weil sie sich gegen Vergewaltigung, Drogen und Menschenhandel wehrte", schrieb Kardashian damals. Sie startete eine Petition. Im vergangenen Jahr traf sie sich mit US-Präsident Donald Trump, um eine Justizreform anzustoßen, dabei ging es auch um den Fall Browns.

Die jetzige Begnadigung begründete Gouverneur Haslam auch damit, dass Brown in der Haft große Anstrengungen unternommen habe, um "ihr Leben neu zu gestalten". Brown soll nun ein Coaching absolvieren, um sich auf ein Leben in Freiheit von August an vorzubereiten. Ihre Bewährungszeit setzte der Gouverneur auf zehn Jahre fest. Brown dankte in einem von der Zeitung The Tennessean veröffentlichten Statement dem Gouverneur und ihren Unterstützern. Sie versprach, "alles zu tun, was ich kann, um Euren Glauben an mich zu rechtfertigen".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4278871
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/afp/eca
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.