US-Prostituierte unter Mordverdacht:Abgründe des Silicon Valley

Prostitution und harte Drogen: Alix Tichelman wird für den Tod des Google-Managers Forrest Hayes verantwortlich gemacht. Jetzt kommt ans Licht, dass sie auch in einen zweiten Todesfall verwickelt sein soll.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Tichelman confers with a public defender as she faces manslaughter charges in Santa Cruz county Superior Court

Alix Tichelman soll neben dem Tod von Google-Manager Hayes in einen zweiten Todesfall verwickelt sein.

(Foto: REUTERS)

Los Angeles Wenn in der Bay Area rund um San Francisco die Geschäfte im Allgemeinen gut laufen, dann boomt auch das Geschäft mit dem Sex. So war das schon zu Zeiten, als der Gold Rush junge Abenteurer an die Westküste lockte, so ist das auch, seitdem im Silicon Valley eher schmalbrüstige junge Männer die Welt des Internets erschaffen. Schon 1997, auf der Höhe des ersten Dotcom-Booms, schrieb der San Jose Mercury, die Technologie-Industrie sei das ideale Ziel für Prostitution, "wegen all der einsamen Männer, die Geld zu verbrennen haben".

Mittlerweile ist die Prostitution im Silicon Valley zu einem Millionengeschäft geworden. Und es geht nicht nur um Sex, sondern auch um harte Drogen. Angesichts der polizeilichen Ermittlungen zum Tod des Google-Managers Forrest Hayes darf Amerika nun erschrocken in die Abgründe des Valley blicken.

Sie zeigt keinerlei Reue

Abgebrüht, kaltblütig, herzlos. Das sind die Adjektive, die Steve Clark verwendet, wenn er über die am 4. Juli inhaftierte Prostituierte Alix Tichelman spricht. "Sie zeigte überhaupt keine Reue, sie kümmerte sich überhaupt nicht um den Zustand des Opfers, sondern versuchte nur, ihre Spuren zu verwischen", sagt der stellvertretende Polizeichef von Santa Cruz. "Sie verlässt das Boot und zieht eine Jalousie herunter, damit niemand von außen die Leiche sehen kann."

Tichelman, 26, wird vorgeworfen, im November 2013 dem Google-Manager Forrest Hayes auf dessen Yacht im Hafen von Santa Cruz eine Überdosis Heroin injiziert zu haben, an der Hayes im Alter von 51 Jahren verstorben ist.

Den Angaben der Polizei zufolge ist Tichelman auf dem Video einer Überwachungskamera zu sehen, wie sie die Drogen vorbereitet und verabreicht. Nachdem Hayes kollabiert sei, habe sie ihm nicht geholfen, sondern Beweismittel aufgesammelt. "Sie stieg immer wieder über die Leiche - einmal sogar, um in Ruhe ein Glas Wein auszutrinken", sagt Clark.

Tichelman appears to face manslaughter charges in Santa Cruz county Superior Court

"Sie stieg immer wieder über die Leiche": Alix Tichelman, des Totschlags verdächtig.

(Foto: Shmuel Thaler/Reuters)

Verdächtige Suchanfrage

Einen Tag später habe sie auf Facebook ein Foto von sich in Unterwäsche veröffentlicht, später im Internet nach Hinweisen gesucht, wie sich jemand verteidigen kann, der einer anderen Person eine Überdosis Heroin verabreicht hat. Im Juni dieses Jahres habe sie zudem einen makabren Eintrag verfasst: "Es ist wirklich schön, mit jemandem über Amokläufe zu sprechen oder darüber, Menschen kaltblütig zu ermorden."

Nachdem Tichelman kürzlich auf einem Internetportal angekündigt hatte, Kalifornien und womöglich auch die Vereinigten Staaten verlassen zu wollen, arrangierten die Ermittler am vergangenen Freitag ein Treffen in einem Luxushotel in Santa Cruz; sie boten Tichelman mehr als 1000 US-Dollar für sexuelle Gefälligkeiten - und nahmen sie dann vor Ort fest.

Ein weiterer Todesfall

Der Frau werden nun neben Totschlag sieben weitere Delikte wie Drogenbesitz und Prostitution zur Last gelegt. Zudem wird Tichelman mit einem weiteren Todesfall im Bundesstaat Georgia in Verbindung gebracht: Im September vergangenen Jahres starb dort der Diskothekenbesitzer Dean Riopelle, 53, an einer Überdosis aus Heroin und Alkohol in seinem Haus in Milton. Tichelman rief damals die Polizei und gab an, ihn bewusstlos auf dem Boden gefunden zu haben.

Der Tod Riopelles wurde als tragischer Unfall bewertet, mittlerweile haben die Behörden die Ermittlungen wieder aufgenommen. "In beiden Fällen ist jemand an einer Überdosis Heroin gestorben", sagt Shawn McCarthy von der Miltoner Polizei: "Wir wollen nun die Einzelheiten überprüfen und sichergehen, dass nicht mehr dahintersteckt."

Mehr als 200 Kunden soll die Frau gehabt haben

Von Mitarbeitern wurde Google-Manager Hayes als zuvorkommender und humorvoller Mensch beschrieben, der sich stets darüber beschwert habe, nicht mehr Zeit mit seiner Ehefrau und seinen fünf Kindern verbringen zu können. Die Umstände seines Todes sowie sichergestellte E-Mails und Textnachrichten deuten nun auf ein mögliches Doppelleben hin. Hayes habe sich bereits zuvor mit Tichelman getroffen und eine "langfristige Prostitutions-Beziehung" geführt.

Bei einer Vernehmung habe Tichelman angegeben, mehr als 200 Kunden gehabt zu haben, zahlreiche davon aus der Technologiebranche. Es ist möglich, dass diese während des Verfahrens gegen Tichelman zu einer Aussage aufgefordert werden.

Hayes und Tichelman haben sich laut Angaben der Polizei auf dem Internetportal "Seeking Arrangement" kennengelernt. Wohlhabendere Geschäftspartner, von den Portalbetreibern "Sugar Daddy" oder "Sugar Mama" genannt, bieten dort nicht nur Bargeld, sondern bisweilen auch Hilfe bei Studiengebühren, teure Geschenke oder extravagante Urlaubsreisen an.

Als Gegenleistung gibt es sexuelle Gefälligkeiten. Das Unternehmen mit Büros in Las Vegas, der Ukraine und Singapur rühmt sich auf der Homepage damit, über eine Kartei mit mehr als drei Millionen aktiver Mitglieder in 139 Ländern zu verfügen. Anfragen zum Fall Tichelman blieben bislang unbeantwortet.

Hayes hat Tichelman laut Polizei über die Webseite immer wieder angeheuert, auch am 23. November hätten sich die beiden "im gegenseitigen Einverständnis getroffen und das Mitbringen von Heroin vereinbart".

Die IT-Branche hat der Prostitution im Silicon Valley nicht nur einen Boom beschert, sie hat auch die Prostitution verändert. Angebot und Nachfrage verabreden sich nun in der virtuellen Welt - in der realen Welt aber hat dieses Geschäft immer noch oft dramatische Folgen.

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