US-Haftbefehl von 1978:Polanskis Haft löst Empörung aus

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Großes Entsetzen: Der weltberühmte Regisseur Roman Polanski sitzt in der Schweiz im Gefängnis. Französische und polnische Politiker sind "fassungslos".

Der weltberühmte Filmregisseur Roman Polanski ("Rosemaries Baby", "Chinatown") hat in seinen Werken viele schwierige Stoffe bewältigt. Gescheitert aber ist er an eidgenössischen Polizisten. Nun sitzt der Künstler in der Schweiz in Polizeigewahrsam - in jenem Land, das ihn ehren wollte für seine Leistungen.

Polanski wurde am Samstag bei der Einreise in die Schweiz offiziell in Auslieferungshaft genommen. Nach Angaben des Justizministeriums werfen die US-Behörden Polanski sexuelle Handlungen mit Kindern vor, namentlich in einem Fall von 1977 mit der 13-jährigen Samantha Geimer in Los Angeles. Seine Festnahme wurde von dem Sprecher des Justizministeriums, Guido Balmer bestätigt. Der renommierte Filmemacher sei in "provisorischer Haft". Über seine Auslieferung an die USA werde nun im Auslieferungsverfahren entschieden.

Wo sich der 76-jährige Polanski derzeit befindet, sagte Balmer nicht. Auf die Frage, warum man den Regisseur, der in den vergangenen Jahren häufig vollkommen unbehelligt in der Schweiz war, gerade jetzt festgenommen habe, sagte der Sprecher: "Wir wussten diesmal genau, wann er einreist." Polanskis Verhaftung war nach Informationen der Los Angeles Times schon längere Zeit von der US-Justiz vorbereitet worden.

Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass Polanski in einem Land festgenommen werden sollte, das ein Auslieferungsabkommen mit den USA abgeschlossen hat, zitiert die Zeitung die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Sandi Gibbons. Wenigstens zweimal schon seien alle erforderlichen Papiere in Los Angeles vorbereitet worden. "Aber offensichtlich bekam er Wind davon und änderte seine Reisepläne", sagte Gibbons.

Ein "verdammt schwieriger" Fall

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski will die US-Behörden um Gnade für den in der Schweiz verhafteten Roman Polanski bitten. Er erwäge derzeit ein Ersuchen, damit der US- Präsident die Möglichkeit überprüfe, von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch zu machen, sagte Sikorski. Das würde den Fall "ein für allemal" abschließen.

Sikorski betonte, Polen habe "das größte Recht, die Stimme zu ergreifen", weil die ursprüngliche Staatsbürgerschaft immer am wichtigsten sei. Der aus Polen stammende Regisseur hatte erst Mitte der 1970er Jahre den französischen Pass angenommen. Auch Präsident Lech Kaczynski deutete an, er wolle mit der US-Seite sprechen. Er werde wahrscheinlich in nächster Zeit eine Gelegenheit zum Meinungsaustausch haben, sagte Kaczynski. Solche Fälle seien aber "verdammt schwierig".

Polnische Filmemacher machen ebenfalls gegen die Verhaftung von Polanski mobil. In einem Schreiben an den Präsidenten Lech Kaczynski und Außenminister Radoslaw Sikorski hätten sie um eine "schnelle Intervention" gebeten, sagte der Chef der polnischen Filmemachervereinigung Jacek Bromski am Sonntag in Warschau.

"Das ist eine skandalöse Situation und ein unverständlicher Übereifer", sagte Bromski zu dem Vorfall in Zürich. Die Verhaftung könnte seiner Ansicht nach gegen das Völkerrecht verstoßen.

Der Regisseur hatte sich in den siebziger Jahren des Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen für schuldig erklärt, war aber vor der Urteilsverkündung 1978 aus den USA nach Frankreich geflohen. Seither lebt Roman Polanski in Frankreich und Polen. In den USA war er seitdem nicht mehr.

Seit Ende 2005 fahndeten die US-Behörden weltweit nach ihm; ein US-Haftbefehl gegen ihn liege seit 1978 vor. Ob Polanski, der französischer Staatsbürger ist, ausgeliefert wird, müsse nun das Verfahren zeigen, erklärte das Ministerium.

Polanski hätte am Sonntagabend beim diesjährigen Zürcher Filmfestival das "Goldene Auge" für sein Regie-Lebenswerk erhalten sollen. Die Festivalleitung zeigte sich in der Mitteilung über die Festnahme bestürzt und betroffen. Sie verschob die Preisverleihung auf unbestimmte Zeit. Stattdessen wollte sie am Abend Polanskis filmisches Schaffen würdigen.

Auch in der Schweizer Filmszene sorgte die Nachricht von Polanskis Verhaftung für Entsetzen. Sie sei nicht nur eine "groteske Justizposse, sondern auch ein ungeheurer Justizskandal", erklärte der Verband der Regisseure. Mit ihrem Vorgehen hätten die Behörden dem Land weltweit Schaden zugefügt, schrieb der Verband Filmregie und Drehbuch.

Frankreich ist entsetzt

"Fassungslos" reagierte auch der französische Kulturminister Frédéric Mitterrand auf die Festnahme des "international renommierten Regisseurs" und "französischen Staatsbürgers". Er sei "wie vom Donner gerührt", sagte Mitterrand. Er stehe mit Staatspräsident Nicolas Sarkozy in Kontakt, erklärte der Minister. Gemeinsam hoffe man, dass "die Situation schnell bereinigt werden kann".

Auch der französische Außenminister Bernard Kouchner fordert einen "günstigen Ausgang" des Falls. Polanskis Rechte müssten vollständig geachtet werden, erklärte das Außenministerium in Paris. Der französische Botschafter habe sich an die Schweizer Behörden gewandt, um "so schnell wie möglich das konsularische Besuchsrecht auszuüben".

Mit der Festnahme Polanskis scheint es auch zweifelhaft, ob der Regisseur wie geplant am 2. Oktober nach Köln reisen kann. Bei der "Cologne Conference" soll er einen mit 25.000 Euro dotierten Preis erhalten und durch eine Retrospektive geehrt werden. In einem Werkstattgespräch wollte er zudem über sein jüngstes Projekt sprechen. Der Film "The Ghost" wurde in Deutschland gedreht und befindet sich derzeit in der Post-Production.

Polanski hatte erst im Dezember 2008 bei den Behörden beantragt, das in den USA anhängige Verfahren gegen ihn einzustellen. Seine Anwälte sind der Ansicht, dass damalige Fehler des Richters und der Anklage die Einstellung des Verfahrens rechtfertigen.

Auch Polanskis früheres Opfer, Samantha Geimer, die 1988 eine Zivilklage gegen Polanski eingereicht hatte, sprach sich im Januar 2009 für eine Einstellung des Verfahrens gegen den Regisseur aus - und reichte beim Gericht einen entsprechenden Antrag ein. Die Frau, die mit ihrer Familie in Hawaii lebt, will den Fall aus der Welt schaffen, um endlich Ruhe zu haben. Sie habe den Vorfall verarbeitet und sei nun nicht mehr ein minderjähriges Opfer.

Allerdings würde sie jedes Mal neu darunter leiden, wenn "sensationslüsterne Einzelheiten" in der Öffentlichkeit ausgebreitet werden. Sie sehe sich jetzt als Opfer der Staatsanwaltschaft, die den Fall nicht ruhen lässt. Ein Gericht in Los Angeles lehnte den Antrag auf Einstellung jedoch im Mai ab, weil Polanski dem Verfahren ferngeblieben war. Dem Regisseur drohen bei einer Auslieferung bis zu vier Jahre Haft.

© sueddeutsche.de/AFP/AP/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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