US-Familie adoptiert entführtes Kind:"Sie sollen mein kleines Mädchen zurückgeben"

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Mit zwei Jahren wurde Anyelí aus Guatemala von einem Menschenhändlerring gekidnappt und in den USA zur Adoption freigegeben. Mittlerweile ist das Mädchen sechs Jahre alt, hat einen neuen Namen und eine neue Familie - doch die leiblichen Eltern wollen ihre Tochter nicht aufgeben und kämpfen vor Gericht für Anyelís Rückkehr.

Es ist der Albtraum jeder Mutter: Loyda Rodríguez ist mit ihren drei Kindern auf den Nachhauseweg vom Einkaufen, als ihr eine fremde Frau ihre kleine Tochter entreißt und mit der damals Zweijährigen flieht. Die Eltern gehen sofort zur Polizei, hängen Plakate auf und suchen in Waisenhäusern nach ihrem Kind - doch Anyelí bleibt spurlos verschwunden. Drei Jahre lang.

Mithilfe einer Menschenrechtsorganisation kommen die Eltern dem Schicksal ihrer Tochter 2009 schließlich auf die Spur: Das kleine Mädchen aus Guatemala wurde offenbar von einem Menschenhändlerring entführt - und von einer Adoptionsagentur in die USA vermittelt. Legal.

"Sie sollen mein kleines Mädchen zurückgeben"

Um Anyelí - die mittlerweile Karen heißt und bei der Familie Monahan in Missouri lebt - ist seitdem ein heftiger Streit entbrannt. Die leiblichen Eltern der heute Sechsjährigen kämpfen für die Rückkehr ihrer Tochter nach Guatemala. Ihre Adoptiveltern betonen dagegen die Rechtmäßigkeit der Adoption und befürchten, das Mädchen könne durch eine Rückführung nach so langer Zeit ein psychisches Trauma erleiden.

Loyda Rodríguez gibt den Monahans zwar nicht die Schuld an dem Entführungsdrama - kampflos aufgeben will sie ihre Tochter aber auf keinen Fall: "Ich weiß nicht, ob sie wussten, dass sie entführt wurde", sagte sie der britischen Zeitung The Guardian. "Alles, was ich ihnen sagen will, ist, dass sie mein kleines Mädchen zurückgeben sollen." Besonders hart treffen die Mutter Aussagen, wonach die Sechsjährige in den USA doch ein besseres Leben habe. "Ich kann meinen Kindern ein gutes Leben bieten, mit der Liebe und Zuneigung, die sie brauchen", sagte sie dem Blatt.

Anfang August hat ein Gericht in Guatemala entschieden, dass Anyelí binnen zwei Monaten in ihr Heimatland zurückkehren soll - andernfalls werde man Interpol einschalten. Die Menschrechtsorganisation "Survivors Foundation", die dem Fall Anyelí auf die Spur kam, wertete den Beschluss als "historisch" im Kampf gegen Menschen- und insbesondere Kinderhandel im Land. Das guatemaltekische Adoptionssystem gilt als korrupt, die Behörden stehen Kindesentführungen mehr oder weniger gleichgültig gegenüber.

Die USA bringt das Urteil aus Guatemala jedoch in ein Dilemma: Einerseits kann sich die US-Regierung nach internationalem Recht nicht einfach über den Richterspruch hinwegsetzen. Andererseits ist man bemüht, auch das Wohl Anyelís - die mittlerweile die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt - zu berücksichtigen. Möglicherweise wird das kleine Mädchen deshalb selbst befragt, wo es leben möchte: Ob einer Sechsjährigen die Tragweite einer solchen Entscheidung bewusst - und zuzumuten - ist, erscheint allerdings zumindest zweifelhaft.

Eine Sprecherin des US-Justizministeriums wollte sich gegenüber dem Guardian nicht dazu äußern, ob Anyelí tatsächlich nach Guatemala zurückgeschickt werden soll. Chuck Johnson, der Sprecher des nationalen Adoptionsrates der USA, sagte dem Blatt: "Da ist eine No-win-Situation."

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