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Urteils des obersten Gerichts:Indien erkennt drittes Geschlecht an

Bisher waren Transgender gezwungen, sich als Mann oder Frau zu definieren. Jetzt ermöglicht ein Gerichtsurteil Indern, in ihren Pässen und Führerscheinen ganz offiziell ein drittes Geschlecht anzugeben.

Indiens oberster Gerichtshof hat in einem wegweisenden Urteil am Dienstag neben männlich und weiblich ein drittes Geschlecht anerkannt. Alle Menschen, die sich als transgender definieren und sich damit nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen wollen, sollen dies der Agentur IANS zufolge in Zukunft in offiziellen Dokumenten angeben können.

"Es ist das Recht eines jeden Menschen, sein Geschlecht zu bestimmen", urteilte das Gericht in Neu Delhi. Auch Transgender seien Bürger Indiens und müssten die gleichen Rechte und Chancen haben. Die Richter wiesen die Behörden in dem sonst konservativen Land demnach an, entsprechende Ausweise, Lebensmittelkarten oder Führerscheine auszustellen. Erst vor zwei Wochen hatte Australien Transgender ähnliche Rechte zugebilligt.

Aktivisten begrüßen das Urteil und hoffen, dass die Diskriminierung von Millionen von Menschen damit verringert werde. "Heute fühle ich mich zum ersten Mal stolz, ein Inder zu sein", sagte der Eunuch Laxmi Narayan Tripathi, ein Vertreter der Transgender-Bewegung, die vor zwei Jahren einen entsprechenden Antrag einbrachte. Bisher waren Transgender meist gezwungen, sich für ein Geschlecht zu entscheiden.

Transgender leben häufig in Armut

In Indien leben schätzungsweise zwei Millionen Transgender als sogenannte Hijras in abgeschlossenen Gemeinschaften. Dazu gehören etwa Menschen, die sich einer Kastration unterziehen oder beide Geschlechtsmerkmale aufweisen. Sie leben oft in Armut und verdienen ihren Lebensunterhalt mit Singen und Tanzen oder Prostitution.

Das Gericht verfügte weiter, die Transgender-Gemeinschaften sollten als sozial und wirtschaftlich rückständig betrachtet werden. Damit haben sie Anspruch auf staatliche Hilfen, die auch niedere Kasten erhalten. Dies umfasst leichteren Zugang zu Bildungseinrichtungen und Jobs, da ein bestimmter Prozentsatz für benachteiligte Gemeinschaften reserviert ist.

Das Urteil folgt einen Monat auf einen Richterspruch desselben Gerichts, mit dem Homosexualität wieder verboten wurde. Die Entscheidung hatte zu massiver Kritik und Vorwürfen geführt, die Justiz führe das Land zurück ins 19. Jahrhundert. Erst 2009 war Homosexualität in Indien aus der Illegalität geholt worden, als ein Gericht in Neu-Delhi ein Verbot von "widernatürlichem Sex" als Verletzung der Grundrechte verwarf.

Linktipp: Die BBC bietet in einer Audio-Slideshow Einblicke in das Leben der indischen Transgender Community.

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