Urteile - Karlsruhe:Verfassungsrichter: Schutz der Familie bei Betreuer-Auswahl

Baden-Württemberg
Außenaufnahme des Bundesverfassungsgerichts mit dem Schriftzug. Foto: Uli Deck/dpa (Foto: dpa)

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Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht pocht darauf, dass bei der Auswahl eines Betreuers für einen hilfsbedürftigen Menschen nach Möglichkeit nahe Angehörige Vorrang haben. Das gebiete der besondere Schutz der Familie im Grundgesetz, teilte das höchste Gericht in Karlsruhe am Mittwoch mit. Eine Kammer des Ersten Senats gab der Verfassungsklage einer Frau statt, die als Betreuerin ihrer psychisch kranken Tochter entlassen worden war. Ihr Fall muss nun noch einmal geprüft werden. Patientenschützer begrüßten die Entscheidung, sie sei auch für Millionen Demenzkranke wichtig. (Az. 1 BvR 413/20)

Wenn jemand wegen einer Krankheit oder Behinderung dauerhaft nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, kann das Amtsgericht einen Betreuer bestellen. Dieser übernimmt dann in bestimmten Lebensbereichen die gesetzliche Vertretung.

In dem Fall aus Mecklenburg-Vorpommern geht es um eine junge Frau mit Schizophrenie. Betreuerin war zunächst die Mutter, bis die zuständige Behörde und Ärzte einen Wechsel empfahlen - die innerfamiliäre Dynamik wirke kontraproduktiv. Daraufhin bestellte das Amtsgericht gegen den ausdrücklichen Willen von Mutter und Tochter eine Berufsbetreuerin. Die Tochter kam monatelang in eine etwa 120 Kilometer vom Wohnort entfernte psychiatrische Einrichtung.

Die Entscheidung aus Karlsruhe bedeutet noch nicht, dass die Mutter wieder Betreuerin werden darf. Aber das Landgericht Neubrandenburg, wo sie zuletzt erfolglos Beschwerde eingelegt hatte, muss in einem zweiten Anlauf die "Bedeutung und Tragweite der persönlichen Beziehung und familiären Bindung" und den Wunsch der Tochter genauer in den Blick nehmen. Mangelnde Eignung dürfe nicht vorschnell angenommen werden, teilten die Verfassungsrichter mit.

Sie beanstanden insbesondere, dass die Einschätzung eines Gutachters, der sich gegen einen Orts- und Betreuerwechsel ausgesprochen hatte, nicht berücksichtigt wurde. Inzwischen gibt es allerdings ein neueres Gutachten, das für eine professionelle Betreuung ist.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht auch Demenzkranke gestärkt, die mit einer Vorsorgevollmacht etwa für den Ehepartner sicherstellen wollen, dass sie von jemandem vertreten werden, dem sie vertrauen. Leider komme es noch zu häufig vor, dass dies nicht ausreichend berücksichtigt werde, sagte Vorstand Eugen Brysch. Karlsruhe nehme auch die Vormundschaftsgerichte in die Pflicht.

© dpa-infocom, dpa:210512-99-568078/3

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