Urteile - Bielefeld:Aggressiver Patient: Gericht lehnt Einweisung in Forensik ab

Bielefeld
Eine Figur der blinden Justitia. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Bielefeld (dpa/lnw) - Das Landgericht Bielefeld hat es Dienstag abgelehnt, einen aggressiven Patienten der Behinderteneinrichtung Wittekindshof in die geschlossene Psychiatrie einzuweisen. Der 24-Jährige hatte im Dezember 2019 zum wiederholten Male versucht, Pflegekräfte zu schlagen und zu treten. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin im Mai 2020 Anklage wegen der Angriffe erhoben und Antrag auf Einweisung gestellt.

Nach Ansicht der Richter ist eine solche Maßnahme im Fall des 24-Jährigen nicht verhältnismäßig. Die Unterbringung in der Psychiatrie sei nicht dazu da, Pflegeeinrichtungen von aggressiven Patienten zu entlasten. Zwar gehe von dem Mann durchaus eine Gefahr aus. In der Pflegedokumentation waren über knapp drei Jahre fast 9900 freiheitsentziehende Maßnahmen notiert worden, die von einem Richter über zum Teil längere Zeiträume genehmigt worden waren. Das Gericht merkte aber kritisch an, dass der Mann zum Teil schon bei geringen Anlässen fixiert und auch Reizgas gegen ihn eingesetzt wurde. Das Gericht konnte nicht erkennen, dass der 24-Jährige in einer Forensik sicherer untergebracht ist oder dass die Situation dort für ihn weniger belastend sei.

Die Diakonische Stiftung Wittekindshof habe als professioneller Anbieter stets betont, für solche Fällen da zu sein, heißt es zur Begründung der Ablehnung.

2019 hatte eine Anzeige eines Angehörigen Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Wittekindshofes ausgelöst. Am Montag hatte die Staatsanwaltschaft Bielefeld erstmals Zahlen genannt. Demnach laufen Ermittlungen gegen 145 Beschuldigte, darunter der ehemalige Leiter eines heute aufgelösten Geschäftsbereiches, Ärzte und verantwortliche Betreuer sowie Angehörige des Pflegepersonals. Ermittelt wird wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Die Stiftung hatte bereits im Sommer den betroffenen Bereich aufgelöst und am Montag erneut zugesichert, bei der Aufklärung zu helfen.

Durch das Verfahren gegen den 24-Jährigen am Landgericht Bielefeld waren Missstände im Wittekindshof noch einmal deutlich geworden.

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