Süddeutsche Zeitung

Urteil nach Missbrauchsvorwürfen auf Ameland:Gewalttäter müssen Sozialstunden leisten

Berichte über Missbrauchsfälle in einem Ferienlager auf Ameland schockierten im vergangenen Sommer die Republik. Ein Gericht hat nun vier Jugendliche zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt - einen sexuellen Hintergrund hatten ihre Taten nach Ansicht der Richter allerdings nicht.

Jugendliche, die sich an Jugendlichen vergehen: Erschütternde Berichte über sexuelle Gewalt drangen im vergangenen Sommer aus einem Ferienlager auf der niederländischen Insel Ameland. Das Landgericht Osnabrück hat vier Jugendliche im Alter zwischen 15 und 16 Jahren jetzt wegen Nötigung und gefährlicher Körperverletzung zu jeweils 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

Der Vorwurf der sexuellen Nötigung habe sich jedoch nicht bestätigt, teilte das Gericht zum Abschluss des Strafverfahrens mit, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Die Täter hätten sich wegen Nötigung in vier Fällen, darunter zweimal mit gefährlicher Körperverletzung, strafbar gemacht.

Sie hätten einem Opfer die Hose heruntergezogen, sagte ein Gerichtssprecher. "Dann ist es so gewesen, dass einer der Täter eine Plastikflasche, bzw. einen Handfegerstiel zwischen die Pobacken gesteckt hat."

Allerdings seien die Gegenstände nicht eingeführt worden - was aus juristischer Sicht entscheidend ist: "Mangels Penetration", heißt es in der Mitteilung des Osnabrücker Landgerichts, habe sich der Vorwurf der sexuellen Nötigung nicht bestätigt.

Zudem hätten die Täter mit den Übergriffen "keine sexuelle Motivation" verbunden. Dieser Bezug sei bei den Betroffenen erst durch die anschließende Berichterstattung in den Medien entstanden.

Für die Jugendkammer sprachen mehrere Aspekte zugunsten der Täter: Diese hätten sich umfassend mit ihren Taten, Motiven und auch mit der Perspektive der Opfer auseinandergesetzt. Alle Täter hätten sich persönlich bei den Opfern entschuldigt und dabei Scham und Betroffenheit gezeigt.

Das Gericht berücksichtigte zudem eine erhebliche Belastung der Angeklagten durch die Medienberichte. Der Verteidiger eines angeklagten 16-Jährigen kritisierte Staatsanwaltschaft und Medien. Diese hätten jedes Feingefühl und Verantwortungsbewusstsein vermissen lassen, teilte Rechtsanwalt Christopher Tenfelde mit. Frühe Erklärungen der Staatsanwaltschaft über Vergewaltigungen hätten zu völlig übertriebenen Darstellungen in der Presse geführt.

Alle Beteiligten, besonders aus dem Täterkreis, hätten eine beispiellose Vorverurteilung und Diffamierung im Privatleben hinnehmen müssen. Durch Informationen der Staatsanwaltschaft an die Medien seien der Persönlichkeitsschutz der Jugendlichen und das Resozialisierungsgebot unzumutbar vernachlässigt worden.

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