Prozess in New York:120 Jahre Haft für "Sex-Kult"-Gründer

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Wird wohl nicht mehr in Freiheit entlassen: NXIVM-Gründer Keith Raniere (Mitte) in einer Gerichtszeichnung. (Foto: dpa)

Keith Raniere gelang es, für seine Organisation NXIVM Millionärinnen und Hollywood-Schauspielerinnen zu gewinnen. Doch viele Frauen erlebten dort sexuelle Gewalt und Erniedrigung. Einigen seiner Opfer wurden seine Initialen eingebrannt.

120 Jahre Haft. So lautet das Strafmaß für den Gründer eines New Yorker "Sex-Kults". Bereits im Juni 2019 war Keith Raniere unter anderem wegen Menschenschmuggels, Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, Erpressung und Justizbehinderung schuldig gesprochen worden. Jetzt verhängte ein Gericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn die aller Voraussicht nach lebenslange Haftstrafe für den 60-Jährigen. Zudem verfügte Richter Nicholas Garaufis eine Strafzahlung von 1,75 Millionen Dollar, umgerechnet etwa 1,5 Millionen Euro.

Raniere hatte Ende der 90er Jahre die Organisation NXIVM gegründet, die offiziell als Selbsthilfegruppe vermarktet wurde, inoffiziell aber eine Art "Sex-Kult" gewesen sein soll. Gleichzeitig sollen Frauen dort sexuell genötigt und sogar mit den Initialen des Gurus gebrandmarkt worden sein. Zu Ranieres Anhängerinnen zählten Millionärinnen und Hollywood-Schauspielerinnen.

Die Strafe von 120 Jahren Haft mache das "Ausmaß der entsetzlichen Verbrechen" deutlich, sagte Staatsanwalt Seth DuCharme. Der stellvertretende FBI-Chef New Yorks, William Sweeney, sprach von einer "Horrorgeschichte". Raniere habe ein "Kontrollregime über Frauen" aufrechterhalten und diese physisch und emotional verletzt. "Die sexuelle Ausbeutung, der Missbrauch, die Einsamkeit und die Bewusstseinskontrolle, die die Opfer unter seiner Anleitung erfahren haben, sind unvorstellbar."

Peinliche Informationen als Druckmittel

Raniere war unter anderem vorgeworfen worden, 2005 eine sexuelle Beziehung mit einer 15-Jährigen angefangen zu haben. Eine andere Teenagerin sperrte er laut Anklage fast zwei Jahre lang in einen Raum. Frauen hatten laut Staatsanwaltschaft innerhalb von NXIVM den Status als "Sklavinnen". Sie seien unter Druck gesetzt worden, peinliche Informationen über sich preiszugeben, die gegen sie verwendet werden sollten, sollten sie die Gruppe verlassen.

Vor der Verkündung hatten 15 Opfer Ranieres vor Gericht in stundenlangen Aussagen von seinen Verbrechen und ihrem Leiden berichtet - darunter auch die Tochter der Schauspielerin Catherine Oxenberg aus der Fernsehserie Denver-Clan. "Du bist ein Sexualverbrecher und du hast mich vergewaltigt" sagte India Oxenberg vor Gericht an Raniere gewandt, wie US-Medien berichteten. Mutter Catherine Oxenberg schrieb auf Twitter, ihr Herz breche für ihre Tochter.

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Der 60-Jährige zeigte bis zuletzt keine Reue und forderte immer wieder erfolglos ein neues Verfahren. Bei der Strafmaßverkündung beteuerte er erneut seine Unschuld und bezichtigte einige der Frauen der Lüge, sagte aber auch, es tue ihm "sehr leid", dass er so viel Schmerz und Zorn ausgelöst habe. Nicht alle Anhängerinnen und Anhänger hatten sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe von Raniere abgewandt: Vor dem Gericht in Brooklyn versammelten sich auch am Dienstag zahlreiche Unterstützer.

Tausende Dollar für Selbsthilfekurse

Für Selbsthilfekurse in New York, Mexiko und Kanada hatte NXIVM Tausende Dollar verlangt. Die hohen Preise schreckten offenbar nicht ab: Etwa 18 000 Menschen sollen laut US-Medienberichten im Laufe der Jahre die Angebote wahrgenommen haben. Der Staatsanwaltschaft zufolge manipulierte Raniere Komplizen dazu, Sexualpartnerinnen für sich anzuwerben. Anfang Oktober war bereits die Millionenerbin Clare Bronfman als Mithelferin von Raniere zu 81 Monaten Haft verurteilt worden. Sie soll mit ihrem Vermögen aus dem einstigen Spirituosenkonzern Seagram und ihrem sozialen Status NXIVM unterstützt und Gegner eingeschüchtert haben. Bronfmans Anwalt hatte angekündigt, das Urteil anfechten zu wollen.

Vier weitere Helfer Ranieres haben sich schuldig bekannt und warten derzeit auf ihr jeweiliges Strafmaß - darunter auch die in Deutschland geborene Schauspielerin Allison Mack, die unter anderem mit der TV-Serie Smallville berühmt wurde.

Ranieres Verteidiger hatten sich für eine Strafe von lediglich 15 Jahren eingesetzt. Die von der Staatsanwaltschaft geforderte lebenslange Haftstrafe bezeichneten sie als übertrieben. "Auf niemanden wurde geschossen oder eingestochen, niemand wurde geschlagen, getreten oder auch nur angeschrien", argumentierten sie. Es gebe keine Beweise, "dass eine Frau jemals zu Keith Raniere gesagt hat, dass sie ihn nicht küssen oder anfassen, seine Hand halten oder Sex mit ihm haben will".

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