Urteil in Straßburg:Deutsches Inzestverbot ist rechtens

Jahrelang führte Patrick S. eine sexuelle Beziehung mit seiner leiblichen Schwester - und kam dafür ins Gefängnis. Der Mann aus Leipzig setzte sich dagegen zur Wehr, zuletzt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der hat jetzt entschieden: Das Urteil gegen den Deutschen ist rechtens.

Inzest darf in Deutschland weiter bestraft werden, ein Verbot der Geschwisterliebe verletzt nicht die Europäische Menschenrechtskonvention. Zu diesem Urteil kommt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Die sieben Richter einer kleinen Kammer des Gerichts wiesen damit einstimmig die Beschwerde eines Mannes aus Leipzig ab, der in Deutschland wegen einer sexuellen Beziehungen mit seiner leiblichen Schwester verurteilt worden war.

Die Richter entschieden, dass die strafrechtliche Verurteilung das Recht von Patrick S. auf Achtung seines Privat- und Familienlebens nicht verletzt habe. Dieses Recht ist in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert. Zuletzt war der Kläger 2008 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.

Der EGMR argumentiert, dass der Umgang mit Inzest in Europa nicht einheitlich geregelt sei, auch wenn die Geschwisterliebe in zahlreichen Staaten verboten ist. Somit stehe den deutschen Behörden ein "weiter Beurteilungsspielraum" zu. Außerdem habe das Bundesverfassungsgericht diesen speziellen Einzelfall sorgfältig geprüft, heißt es in der Urteilsbegründung.

Verurteilungen wegen "Beischlafs zwischen Verwandten"

Patrick S. und seine Schwester waren getrennt voneinander aufgewachsen und hatten sich erst im Jahr 2000 als Erwachsene kennengelernt. Aus der Liebesbeziehung der Geschwister gingen zwischen 2001 und 2005 vier Kinder hervor, zwei kamen behindert zur Welt. Wegen "Beischlafs zwischen Verwandten" war der Mann mehrmals zu Freiheitsstrafen verurteilt worden.

Auch wegen dieser Gefängnisaufenthalte sind die Geschwister mittlerweile kein Paar mehr, wie der Anwalt von Patrick S. kritisierte. Der deutsche Inzest-Paragraph habe "nicht die Familie geschützt, sondern eine Familie zerstört", sagte Endrik Wilhelm vor dem Urteil. Drei der Kinder leben heute in Pflegefamilien, die jüngste Tochter ist bei der Mutter.

Gegen die Entscheidung der Straßburger Richter kann der Beschwerdeführer binnen drei Monaten Rechtsmittel einreichen. Der Gerichtshof kann die Klage dann zur Überprüfung an die Große Kammer mit 17 Richtern verweisen. Er muss dies jedoch nicht tun.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: