Süddeutsche Zeitung

Urteil in Oldenburg:Holzklotz-Werfer muss lebenslang in Haft

Höchststrafe für Nikolai H.: Im Prozess um den tödlichen Holzklotzwurf von einer Autobahnbrücke hat das Landgericht Oldenburg den Angeklagten Nikolai H. schuldig gesprochen.

Im Prozess um den tödlichen Holzklotzwurf von Oldenburg ist der Angeklagte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der 31-jährige Nikolai H. den Klotz am Ostersonntag 2008 von einer Autobahnbrücke der A 29 auf einen vorbeifahrenden Wagen geworfen hatte.

Der sechs Kilogramm schwere Holzklotz hatte auf der Autobahn 29 die Windschutzscheibe eines Autos durchschlagen und eine Frau aus Nordrhein-Westfalen vor den Augen ihrer beiden Kinder und ihres Mannes getötet. Der Drogensüchtige habe sich des Mordes, dreifachen versuchten Mordes und vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gemacht, sagte der vorsitzende Richter. Der Verteidiger des 31-Jährigen kündigte nach dem Urteil an, dass er Revision einlegen wolle.

Nach Ansicht des Richters hatte sich an dem Tag der Frust des 31-Jährigen, kein Heroin zu bekommen, im Laufe des Tages verstärkt. Darum habe er den Holzklotz von seinem Grundstück genommen, sei zur Brücke gefahren, habe den Verkehr beobachtet und den Klotz fallen gelassen. Der Angeklagte nahm den Urteilsspruch ohne sichtliche Regung auf.

Zu dem Witwer und Vater der beiden Kinder, der das Urteil im Gerichtssaal verfolgte, sagte Bührmann: "Wir alle fühlen tief mit Ihnen. Wenn Sie an dem Tag nicht so fantastisch reagiert hätten, wären ihre Kinder auch gestorben." Der Mann hatte den Wagen trotz der zersplitterten Frontscheibe und seiner vom Klotz schwer getroffenen Ehefrau auf dem Seitenstreifen der Autobahn zum Stehen gebracht.

Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft: Diese hatte am Montag eine lebenslange Freiheitsstrafe beantragt. Nikolai H. habe es Staatsanwalt Stefan Schmidt zufolge billigend in Kauf genommen, dass auch die übrigen drei Insassen im Wagen zu Tode kommen könnten. Der Angeklagte habe seine "Frustbewältigung" über diesen Umstand gestellt, so die Argumentation des Staatsanwalts.

Indizien und ein widerrufenes Geständnis

Allerdings war die Beweislage nicht eindeutig. Einen Tag nach den Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage forderte der Verteidiger für seinen Mandanten Freispruch. Die Beweise gegen Nikolai H. reichten einfach nicht aus, sagte Anwalt Matthias Koch vor dem Landgericht Oldenburg.

Die Polizei fand auf der Brücke zunächst eine Fahrradfelge, allerdings ohne Spuren. Auch am Geländer war nichts zu finden. Später meldete sich ein Zeuge. Der Autofahrer sagte, er hätte zur Tatzeit einen Mann gesehen. Doch an das Aussehen des Mannes könne er sich nicht erinnern. Auch an der Tatwaffe selbst, dem Holzklotz, konnte die Polizei keine DNS-Spuren sicherstellen. Die Ermittler hatten zunächst nichts in der Hand.

Als die Fahnder einen Massen-Gentest ankündigen, meldete sich Nikolai H. bei der Polizei. Er gestand, am Ostersonntag habe er einen Holzklotz zur Seite geräumt, es könnte sich darauf seine DNS finden. H. war polizeilich bekannt. Die Ermittler schöpften Verdacht. Wenige Tage später gestand H. Auch vor dem Haftrichter räumte er die Tat ein. Dann aber widerrief er das Geständnis.

Für Gericht blieb die Frage: Wie glaubwürdig ist dieses widerrufene Geständnis? Ein Gutachter sollte bei der Frage helfen. Denn möglicherweise sei das Geständnis aus anfänglicher Wichtigtuerei zustandegekommen. H. hatte bereits 1998 eine Falschaussage gemacht. Seinerzeit gestand er wahrheitswidrig, einen Unfall mit zwei Toten verursacht zu haben.

Dazu hörten die Richter den Berliner Rechtspsychologen Max Steller. Dieser betonte, H.s Aussagen wiesen Täterwissen auf und hätten einen klaren Erlebnisbezug. Das als glaubhaft befundene Geständnis des Angeklagten galt als wichtigstes Beweismittel des Prozesses. Die Verteidigung hatte am Montag vergeblich beantragt, den Sachverständigen als befangen abzulehnen.

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