Urteil in Georgia:Verhängnisvolle Silvesterparty

Jugendliche haben in den USA bei einer wilden Feier einvernehmlich Oralsex - ein Beteiligter soll zehn Jahre ins Gefängnis.

Reymer Klüver

Man könnte sagen, Genarlow Wilson hat getan, was ältere Teenager halt so tun. Zugegeben, ein bisschen wild war das Ganze. Es eine Orgie zu nennen, wäre wohl nicht völlig falsch. Dass er dafür mindestens zehn Jahre im Gefängnis sitzen soll, daran dürfte er bei der Silvesterparty vor drei Jahren im Traum nicht gedacht haben.

Genarlow Wilson war Football-Spieler - und Bester seines Jahrganges. Ein Football-Feld in Georgia

Genarlow Wilson war Football-Spieler - und Bester seines Jahrganges. Ein Football-Feld in Georgia

(Foto: Foto: Reuters)

Und selbst die Geschworenen, die ihn später verurteilt haben, hatten nicht damit gerechnet, dass ihr Spruch den zuvorkommenden jungen Mann ein Leben lang als Kinderschänder zeichnen würde. Allein das Gesetz des Staates Georgia wollte es so.

Und so ist der inzwischen 20 Jahre alte Genarlow seit fast zwei Jahren im Gefängnis, weil er als noch 17-Jähriger in jener Nacht Oralsex mit einer damals 15-Jährigen hatte.

Das gilt in Georgia als schwerer Fall von Kindsmissbrauch, und bringt dem Täter eine zehnjährige Haftstrafe ohne Bewährung ein und den unlöschbaren Eintrag ins Register der Sextäter - auch wenn der Täter minderjährig war und der angebliche Missbrauch im Einverständnis des Mädchens stattfand.

Jetzt hat der Oberste Gerichtshof des Südstaates dem Jungen die vorletzte Hoffnung genommen, dass er auf Einsicht stoßen könnte: Georgias Supreme Court lehnte es ab, sich näher auf den Fall einzulassen.

"Während ich durchaus sehr viel Sympathie hege für Wilsons Klage, dass die Strafe ungerecht ist", schrieb Richterin Carol Hunstein zur Begründung, "insbesondere weil der vielversprechende junge Mann gute Noten und keinerlei kriminellen Hintergrund hatte, ist dieses Gericht doch an den Willen des Gesetzgebers gebunden, der für Menschen in der Lage Wilsons keine mildere Strafen vorgesehen hat."

Die Polizei stellte Kondome sicher - und eine Videokamera

Alles hatte mit einer Silvesterparty begonnen, für die Genarlow und ein paar Freunde zwei Hotelzimmer gebucht hatten. Es gab Alkohol in rauen Mengen, die Jugendlichen rauchten Marihuana, sie hatten Sex. Alle kannten sich von der High School, an der Genarlow Football-Spieler und Jahrgangsbester der Abschlussklasse war.

Ein 17-jähriges Mädchen schlief bei der Party im Rausch mit mehreren Jungs, ein zweites, die 15-Jährige, hatte Oralsex mit einem halben Dutzend ihrer Mitschüler, alle zwei Jahre älter als sie. Die 17-Jährige erstattete am Neujahrsmorgen Anzeige wegen Vergewaltigung - was die Sache ins Rollen brachte. Die Polizei durchsuchte die Hotelzimmer, stellte Kondome sicher und eine Videokamera.

Verhängnisvolle Silvesterparty

Auf der war das Treiben festgehalten. Die Vergewaltigungsvorwürfe wurden rasch fallengelassen. Das Video zeigte, dass das Mädchen volltrunken war und zu nichts gezwungen wurde. Zu sehen war auch der Oralverkehr der 15-Jährigen, was zu Anzeigen gegen sechs Jugendliche wegen Kinderschändung führte.

Fünf der Jungs handelten mit der Staatsanwaltschaft niedrigere Haftstrafen aus und bekannten sich schuldig, gelten nun aber als Sextäter. Nur Genarlow weigerte sich: "Ich bin kein Kinderschänder", sagt er. Der Staatsanwalt gibt sich ungerührt: "Er hat sich entschieden, ein Märtyrer sein zu wollen."

"Rückfall in die Zeit der Lynchjustiz"

Natürlich spielt bei der harschen Strafe für den Jungen auch Rassismus eine Rolle - behaupten jedenfalls Bürgerrechtler. Denn Genarlow ist Afro-Amerikaner. Und in Georgia bekommen Schwarze in der Regel härtere Strafen als Weiße, selbst in ähnlich gelagerten Fällen.

Ein 24-jähriger Hobbytrainer aus derselben Gegend wie Genarlow kam mit 30 Tagen Haft davon, nachdem er dabei erwischt worden war, die 15-jährige Tochter seiner Hauswirte zu befummeln. Ein 26-Jähriger erhielt 20 Tage Gefängnis, nachdem er sich mit einer 15-Jährigen zum Sex verabredet hatte.

Eine 27-jährige Lehrerin musste 90 Tage ins Gefängnis, als ihr Verhältnis zu einem 17 Jahre alten Schüler aufflog. Alle Beteiligten waren Weiße. Die Bürgerrechtsbewegung NAACP schließt daraus, dass Genarlows Fall gar nicht erst verhandelt worden wäre, wäre er ein Weißer gewesen. Der bekannte Bürgerrechtler Jesse Jackson nennt das Verfahren einen "Rückfall in die Zeit der Lynchjustiz".

Eine Ausnahmeklausel, die Genarlow nicht hilft

Rechtlich gesehen dürfte kaum noch etwas zu machen sein. Das haben Georgias Parlamentarier selbst gemerkt und nach dem Urteil ihre harschen Kinderschändergesetze geändert und eine Ausnahmeregel eingebaut, verschämt "Romeo-und-Julia-Klausel" genannt.

Danach sind fortan Teenager von der Strafe ausgenommen, deren sexuellen Kontakte offenkundig im Einvernehmen stattfanden. Nur das nützt Genarlow nichts: In Georgia verbietet es die Verfassung, Gesetze rückwirkend zu erlassen. Seine einzige Hoffnung ist der Supreme Court der Vereinigten Staaten. Nur der könnte die Strafe als unmenschlich einstufen.

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