Urteil gegen Impfgegner:100 000 Euro für ein "Hirngespinst"

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Bringt gerne krude Theorien unters Volk: Biologe Stefan Lanka. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Einer der skurrilsten Prozesse des Landes geht zu Ende: Ein promovierter Biologe muss einem Mediziner 100 000 Euro zahlen, weil der ihm beweisen konnte, dass es Viren gibt.

Aus dem Gericht von Christina Berndt, Ravensburg

Die große Bühne lässt sich Stefan Lanka nicht entgehen. Auch wenn für ihn eine sechsstellige Summe auf dem Spiel steht: Gut gelaunt erscheint der Biologe, der einst über Viren promovierte und nun vom Leugnen der Viren lebt, vor dem Landgericht in Ravensburg.

Hier wird am Donnerstag einer der skurrilsten Prozesse des Landes fortgesetzt: Der junge Arzt David Bardens verlangt von Stefan Lanka 100 000 Euro, weil dieser die Summe im Internet demjenigen versprach, der ihm Beweise für die Existenz des Masernvirus liefern könne. Bardens lieferte: Sechs wissenschaftliche Arbeiten schickte er Lanka, samt Kontonummer. Doch das ausgelobte Geld bekam er nie. Deshalb sehen sich die beiden nun vor Gericht.

Für Lanka sind Viren nur "Hirngespinste"

Bereitwillig spricht Stefan Lanka in jedes Mikrofon. So viel Gelegenheit hat er selten, einer breiten Öffentlichkeit seine reichlich kruden Theorien zu unterbreiten. Vor laufender Kamera hält er kleine Medizinvorlesungen - wenn auch über eine Art von Medizin, die nur wenige Menschen überzeugt. Stefan Lanka ist Sympathisant der beängstigenden Germanischen Neuen Medizin und der Perth Group, die die Existenz von Viren leugnet.

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Von Verena Mayer

Zur Jahrtausendwende hielten Leute wie er Südafrikas Regierungschef Thabo Mbeki davon ab, die Aids-Epidemie in seinem Land mit Anti-Viren-Mitteln zu bekämpfen. Mehr als 300 000 Menschenleben habe das gekostet, sagen Kritiker.

Doch für Stefan Lanka sind Viren nur "Hirngespinste". Nach seiner Überzeugung gibt es überhaupt keine ansteckenden Krankheiten. Neben Vergiftungen seien es innere Konflikte, die sich in Pestbeulen, Pockenbläschen und der Immunschwäche Aids Bahn brechen. Impfen ist in dieser Logik brandgefährlich, und Stefan Lanka schreckt auch nicht vor drastischen Vergleichen zurück: "Impfen und Aids: Der Neue Holocaust", lautet der Titel eines seiner Bücher.

Dass nicht Psychotherapien, sondern Impfungen mit Viren die Masern bis auf seltene Ausbrüche wie jetzt in Berlin fast ausrotten konnten, ficht ihn nicht an. In einem Interview erklärte Lanka einmal, weshalb so viele Ärzte das Impfen befürworten: "Um Menschen massenhaft zu schädigen, um sich einen Kundenkreis an chronisch kranken Objekten aufzubauen, die alles mit sich machen lassen."

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An diesem Tag in Ravensburg aber wirkt der 51-Jährige vom Bodensee freundlich, fast pastoral. Eine kleine Gemeinde hat er auch dabei. Seine Anhänger jubeln im Gerichtssaal, als ein Sachverständiger sagt, dass Forschung ja auch finanziert werden müsse. Seht her, soll das wohl heißen, wir wussten immer, dass die Schulmedizin gekauft ist. Lanka hingegen schlägt so leise Töne an, wie lange nicht mehr. Ob er doch Angst vor der 100 000-Euro-Rechnung hat?

Jedenfalls hat der Biologe schon Erfahrung mit Gerichten - meist, weil er reichlich laut war: 2002 nannte er einen Richter "scientologischer Babyficker", und 2009 wurde er verurteilt, weil er den damaligen Präsidenten des für Infektionskrankheiten zuständigen Robert-Koch-Instituts als "Massenmörder" beschimpft hatte.

Die Sache mit dem Preisausschreiben sei Kalkül gewesen, sagt Lanka

Der Mann, der es gewagt hat, Stefan Lanka zu verklagen, hat sicherheitshalber einen Leibwächter mitgebracht. Im Internet hatte David Bardens üble Drohungen lesen müssen. Statements will er aber im Gegensatz zu Lanka nicht abgeben. Er hat einen Exklusiv-Vertrag mit RTL.

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Immerhin spricht seine Anwältin: Als Arzt wisse ihr Mandant, "wie gefährlich Masern sind und welchen Schaden Impfgegner anrichten". Bardens habe eine 14-Jährige an den Spätfolgen der Viren sterben sehen. Deshalb wolle er Lanka mit seiner impfskeptischen Auslobung nicht durchkommen lassen. Um die 100 000 Euro sei es ihm nie gegangen: Die wolle er für Impfkampagnen in Entwicklungsländern spenden.

Der Richter führt die Verhandlung mit großem Ernst. Der Arzt habe genügend Belege für die Existenz des Masernvirus vorgelegt, sagt der Sachverständige Andreas Podbielski, ein Professor für Virologie von der Universität Rostock.

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Doch der Richter will alles genau wissen. Schließlich geht es hier nicht nur um die Frage, ob an den Argumenten von Viren-Leugnern etwas dran sein könnte, sondern auch um juristische Finessen: "Erfüllen die sechs Publikationen, die der Kläger vorgelegt hat", so drückt es der Richter aus, "alle Anforderungen in dem - in Anführungszeichen - Preisausschreiben des Beklagten?"

Am Ende ist das Urteil knapp und hart: Stefan Lanka muss zahlen - 100 000 Euro plus Zinsen. Die Sprache verschlägt's ihm nicht: Er will in Berufung gehen und gleich am Freitag in einem Vortrag die sechs Publikationen zerpflücken, kündigt er nach dem Urteil an. Die Sache mit dem Preisausschreiben sei Kalkül gewesen, sagt er noch, damit sich die Gegenseite in ihren Argumenten verstricke: "Für die Wahrheit muss man eben auch Risiken in Kauf nehmen."

© SZ vom 13.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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