Urteil:"Gaffer" verurteilt

Vier Monate Haft für einen Mann, der bei einem Verkehrsunfall die Einsatzkräfte behinderte.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Nun ist also ein Urteil ergangen in jener Verhandlung, die es als "Gaffer-Prozess" zu beachtlicher Aufmerksamkeit gebracht hat. Am Donnerstag entschied das Amtsgericht Bremervörde, dass der 27-jährige Hauptangeklagte vier Monate ins Gefängnis muss. Der Vorsitzende Richter folgte dem Vorwurf des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und der Körperverletzung. Zwei Brüder, 20 und 36 Jahre alt, müssen nur 100 beziehungsweise 150 Euro Strafe zahlen. Die Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert und wollen die Entscheidung offenbar anfechten.

Der Fall begann am 5. Juli 2015 mit einem tödlichen Verkehrsunfall einige Straßen vom Gerichtsgebäude entfernt. Damals raste eine 61-jährige Frau mit ihrem Auto ungebremst in eine Eisdiele, nachdem sie die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren hatte. Es hieß, sie habe unter epileptischen Anfällen gelitten und ihre Tabletten nicht genommen. Ein älterer Mann und ein zweijähriger Junge starben, neun Menschen wurden verletzt. Die Schuldige wurde im März wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, inzwischen ist sie ebenfalls verstorben. Jetzt ging es um jene Passanten, die damals die Rettungskräfte attackierten und behinderten.

Vor der zerfetzten Fassade mit dem PKW, den Toten und den Verletzten tauchten seinerzeit die drei Geschwister auf, bei einem Handgemenge mit der Polizei kamen ein Polizist, ein Feuerwehrmann und der 27-Jährige leicht zu Schaden. Der Vorwurf, jener Hauptangeklagte habe am Unglücksort mit dem Handy gefilmt, konnte nicht bewiesen werden. Die Anwälte rügten Stimmungsmache in Medien und Politik, die Sitzungen waren nach Anträgen zweimal vertagt worden. "Das war ganz sicher kein Gaffer-Verfahren", sagte Lorenz Hünnemeyer, der den 36-Jährigen vertrat. Auch war bei Gesprächen am Rande der Streitsache immer wieder der Vorwurf durchzuhören, dass die Polizisten wegen des Migrationshintergrundes des Trios besonders zugegriffen hätten. Gleichzeitig erinnert die Causa an das, was ebenfalls 2015 in Hameln passiert war und seit Wochenbeginn in Hannover verhandelt wird.

Dort stehen eine Frau und fünf Männer einer deutsch-kurdisch-libanesischen Großfamilie vor dem Landgericht. Sie sollen nach dem tödlichen Sturz eines flüchtenden Verwandten aus dem Fenster vor dem Hamelner Gericht und dem Krankenhaus randaliert haben, 24 Polizisten sowie sechs Unbeteiligte trugen Verletzungen davon. Der Richter in Hannover hat angeregt, das Verfahren abzukürzen und Bewährungsstrafen in Aussicht gestellt, falls die Angeklagten geständig sind. Diesen möglichen Deal kritisiert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) heftig.

Denn just an diesem Donnerstag sollte im Bundestag ein schärferes Gesetz zum Schutz von Polizisten und Soldaten vor Gewalt verabschiedet werden. Attacken gegen Beamte und Uniformierte werden demnach künftig mit drei Monaten bis fünf Jahren Haft bestraft. Außerdem gab es nach dem Gerangel in der niedersächsischen Stadt Bremervörde eine Gesetzesinitiative aus Niedersachsen im Bundesrat. Wer Fotos oder Videos von Toten oder Verletzten mache, der könnte nach diesem Vorstoß in Zukunft bis zu einem Jahr in einer Zelle landen. Die Länderkammer stimmte der Idee bereits im Juni 2016 zu, der Bundestag muss entscheiden.

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