Unwetter über Deutschland:Nicht häufiger, aber extremer

Unwetter Saarland

Ein Pickup liegt in der Grube einer eingestürzten Brücke bei Kleinblittersdorf im Saarland.

(Foto: dpa)

Mehrere Unwetter haben im Westen Deutschlands großen Schaden angerichtet, nun warnt der Deutsche Wetterdienst im Süden vor Gewittern: Wie kommt es zu solchen Phänomenen?

Von Max Sprick

Schlammlawinen rollen durch Dörfer, Straßen werden unterspült oder überflutet, ein Regionalzug entgleist, eine Brücke stürzt ein, und in der Eifel bricht nach Überschwemmungen ein Bär aus einem Wildpark aus: Unwetter haben in den vergangenen Tagen in einigen Teilen Deutschlands Zerstörung und Chaos angerichtet. Ortsweise fiel innerhalb von Stunden dreimal so viel Regen wie sonst in einem ganzen Monat. Wie kann das sein?

"Der Starkregen im Mai ist zwar nicht alltäglich - aber auch nicht einmalig", sagt Andreas Friedrich, Diplom-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD). Friedrich erinnert an die sehr ähnliche Wetterlage vor fast genau zwei Jahren, als in Simbach am Inn mehrere Menschen nach einem Dammbruch starben oder Braunsbach in Baden-Württemberg von einer Lawine aus Schlamm und Geröll größtenteils zerstört wurde. Trotzdem sagt er zu den jüngsten Wetterereignissen: "Das ist für uns auf jeden Fall etwas Besonderes, ein extremer Ausschlag."

Schuld ist die Großwetterlage Tief Mitteleuropa, wie Friedrich und seine Kollegen sie beim DWD nennen. Feuchtwarme Luft liegt über einer Region und bleibt dort für einen längeren Zeitraum auch liegen. "Wenn dann die Sonne in diese feuchte Luft hineinstrahlt und die in einem Tiefdruckgebiet sowieso schon vorhandenen aufsteigenden Luftbewegungen verstärkt, kommt es zu diesen starken Unwettern." Weiter verstärkt wird dieses Phänomen durch die Temperatur. Der Mai 2018 war mit einer Durchschnittstemperatur von 16 Grad Celsius der wärmste Mai seit Beginn der Wetteraufzeichnung vor knapp 130 Jahren.

Je wärmer die Luft, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen. Diese Feuchtigkeit entlädt sich dann wiederum umso heftiger. "Solche extremen Phasen gab es im historischen Vergleich schon immer wieder mal", sagt Friedrich. Neu sei aber, dass der Starkniederschlag, also ein Niederschlag von mehr als 25 Litern pro Quadratmeter pro Stunde, spürbar zunimmt.

Seit 17 Jahren misst der DWD Niederschläge mit einem Radarverbundsystem lückenlos in ganz Deutschland, zuvor konnte er Starkniederschläge oft gar nicht genau lokalisieren. Durch die Radardaten lässt sich der Trend vom zunehmenden Starkniederschlag belegen. Was sich aber (noch) nicht belegen lässt: dass dieser Trend auch mit dem Klimawandel zusammenhängt. "Um das abschließend festzustellen, müssen wir die Daten über einen Zeitraum von 30 Jahren ausgewertet haben", sagt Friedrich.

Dass die Wetterereignisse heftiger werden, kann man erklären: Mit der zunehmenden Temperatur in der Erdatmosphäre wird auch die Energiemenge in ihr größer. Die Folge: intensiveres Wetter. Das tritt zwar, wie Simulationen zeigen, nicht häufiger auf. "Aber man kann sagen, dass sie extremer werden", sagt Friedrich.

Wo das Wetter genau für Überschwemmungen, Zerstörungen und Chaos sorgt, lässt sich dabei nur bedingt vorhersagen. Friedrich vergleicht die Großwetterlage mit einem Topf Wasser, den man zum Kochen bringt. Da wisse man genau, dass, sobald das Wasser siedet, Bläschen entstehen. Man kann aber nie sagen, wo genau sie sich auf der Wasseroberfläche bilden. "Die regionale Ausprägung lässt sich erst dann vorhersagen, wenn das Unwetter sich schon gebildet hat", sagt Friedrich. Die Vorlaufzeit beträgt maximal 90 Minuten, deswegen können Starkregen-Schübe immer wieder überraschen.

Wie lange die fatale Großwetterlage Tief Mitteleuropa noch über Deutschland bleibt, dazu will sich Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst nicht ganz festlegen: "Das ganze Szenario könnte sich auch ab Anfang nächster Woche genauso wiederholen."

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