Viele rechtliche Fragen ungeklärt
Wenn Paare keine Kinder zeugen können, behelfen sie sich manchmal mit einer fremden Samenspende. Doch muss ein Mann Unterhalt für ein Kind zahlen, weil er einer solchen Spende für seine Ex-Freundin zustimmte? Dieser nicht ganz alltägliche Fall wird nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verhandelt (mehr dazu hier). Um 14.30 Uhr soll ein Urteil fallen. Und je nachdem, wie das höchste deutsche Zivilgericht entscheidet, könnte dieses grundsätzliche Bedeutung haben.
Noch immer ist eine Reihe von rechtlichen Fragen rund um das Thema Samenspende ungelöst. Die Gesetze halten mit den neuen technischen Möglichkeiten nicht mehr Schritt. "Wir Juristen müssen lernen, damit umzugehen, dass es mehr als die normale biologische Situation mit zwei Elternteilen gibt", sagt etwa Heinrich Schürmann vom Deutschen Familiengerichtstag. Der Fall des kleinen Mädchens aus der Region Stuttgart ist solch eine ganz andere Situation.
Handschriftliche Versicherung beim Hausarzt
Sieben Jahre hatte der Mann eine Beziehung zu der Mutter des Mädchens. Die beiden lebten in getrennten Wohnungen, im Juli 2007 stimmte der zeugungsunfähige Mann einer Insemination zu, um den Kinderwunsch der Frau zu erfüllen. Er besorgte sogar das Sperma und versicherte beim Hausarzt handschriftlich: "Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde und die Verantwortung übernehmen werde."
Urteil des BGH:Spenderkinder haben frühzeitig Recht auf Vaterschaftsauskunft
Kinder haben grundsätzlich ein Recht darauf, frühzeitig den Namen ihres biologischen Vaters zu erfahren. Das hat der Bundesgerichtshof entscheiden. Sibylle ist eins von etwa 100 000 Spenderkindern in Deutschland. Sie sagt: "Je älter man ist, desto schlimmer ist es."
Nachdem es beim ersten Mal nicht klappte, gab es der Frau zufolge im Dezember 2007 und Januar 2008 weitere einvernehmliche Versuche. Als sie erneut ihren Eisprung hatte, fuhr die Mutter mit einem kleinen Behälter zum Freund. Der füllte ihn mit fremdem Samen.
Diesmal hatte die künstliche Befruchtung Erfolg: Neun Monate später, am 18. Oktober 2008, brachte die Frau das Mädchen zur Welt. Es war "nicht die romantischste Art, zu einem Kind zu kommen", sagte die Mutter bei einer gerichtlichen Anhörung in Stuttgart. Aber - aus Sicht des Gerichts - die wahrscheinliche Variante, wie die inzwischen fast siebenjährige Tochter gezeugt wurde.
Für das OLG war der Fall klar
Der ehemalige Freund der Mutter will von dem Kind schon längst nichts mehr wissen, geschweige denn dafür zahlen. Genau genommen besteht auch kein Unterhaltsanspruch: Der Mann ist weder der leibliche, noch der rechtliche Vater. "Am ehesten könnte man ihn wohl als 'Zahl-Mensch' oder 'Zahl-Lebensgefährten' bezeichnen", sagt Familienrechtler Schürmann.
Der Mann spendierte Teile der Erstausstattung für das Baby, ließ sich als Vater gratulieren, posierte sogar für Familienfotos mit dem Neugeborenen und zahlte drei Monate Unterhalt. Dann aber blieben die Zahlungen aus. An den weiteren Versuchen der künstlichen Befruchtung sei er nicht beteiligt gewesen, behauptete er nun vor Gericht. Das nahm ihm das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart nicht ab und verurteilte ihn zur Zahlung von Unterhalt. Das Kind habe einen "Unterhaltsanspruch aufgrund eines berechtigenden Vertrags zugunsten Dritter", so das Gericht unter Verweis auf ein 2002 geändertes Gesetz.
Chancen des Ex-Freundes sind fraglich
Das OLG ging noch einen Schritt weiter: Bei der Einwilligung des Mannes zu einer Insemination mit Spendersamen handele es sich um die "Übernahme der Elternschaft kraft Willensakts". Er habe damit zu erkennen gegeben, dass er wie ein ehelicher Vater für das Kind sorgen wolle. Folgt das höchste deutsche Zivilgericht dieser Argumentation, dann könnte das bedeuten, dass künftig alle Partner, die einer solchen Samenspende zustimmen, Unterhalt zahlen müssen - egal ob sie verheiratet sind oder nicht.
Mit der Revision vor dem BGH (Az.: XII ZR 99/14) will der Ex-Freund nun die Abweisung der Unterhaltsklage erreichen. Seine Chancen sind jedoch fraglich. Der reformierte Paragraf 1600 Abs. 5 BGB lautet: "Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen."