Süddeutsche Zeitung

Unglücksfälle im Atlantik:Von wegen Teufelsdreieck!

Lesezeit: 3 min

Seit fast hundert Jahren wird gerätselt, wieso Schiffe und Flugzeuge im Bermudadreieck verschwinden - die Erklärungsversuche sind teilweise bizarr.

Von Bernd Graff

Manchmal wirken wissenschaftlich-rationale Erklärungen für ungewöhnliche Ereignisse nicht weniger fantastisch als die irrationalen.

Das Geisterschiff Mary Celeste etwa, das man 1872 intakt, aber von jeder Menschenseele verlassen auf halbem Weg zwischen den Azoren und Portugal auffand, soll von der Besatzung geräumt worden sein, weil sie nur so schlimmen Alkoholdämpfen entgehen und das Schiff belüften konnten. Ach so, zum Belüften muss man wohl das Schiff verlassen. Aber wozu sollte man Segelboote überhaupt belüften?

Eine andere Theorie lautet, die Mannschaft der Mary Celeste sei ein Opfer des Bermudadreiecks geworden. Widerlegt wurde die Behauptung nur damit, dass das Geisterschiff ja viel zu weit entfernt von dieser Gewässer-Triangel zwischen den Bermudas, Puerto Rico und Florida gewesen sei, als man es geisternd vorfand.

Schon klar, denn sonst wäre das Bermudadreieck als Begründung für das spurlose Verschwinden der Crew ja wohl auch rational, profund und sicher immer ausreichend gewesen. Oder etwa nicht?

Erst glaubte man, die Deutschen waren es

Das Verwunderlichste am Bermudadreieck, dem man gern das spurlose Verschwinden großer Objekte unterstellt, ist, dass es diesen Mythos um das Gewässer im Westatlantik erst seit Kurzem gibt. Das Teufelsdreieck, wie man die Gegend auch nennt, wird schon seit Langem durchquert, mindestens seit Kolumbus, doch verschwunden wird erst in jüngerer Zeit.

Genau genommen existiert der Mythos erst seit dem Ende des Ersten Weltkriegs. Im Februar des Jahres 1918 verschwand die USS Cyclops spurlos, ein Kriegsschiff mit 306 Mann Besatzung, schwerstbeladen und höchstwahrscheinlich stürmischer See ausgesetzt.

Erst glaubte man, die Deutschen hätten das Schiff gekapert, vielleicht mit einem der ersten U-Boote. Hatten sie aber nicht. Dann vermutete man einen Konstruktionsfehler, das Schiff soll auseinandergebrochen sein. Man konnte jedoch keine Wrackteile finden, um das zu verifizieren. Das Rätsel wurde nie gelöst.

Doch man erinnerte sich spätestens 1941 wieder daran, als in nur einem Jahr die beiden Schwesterschiffe der Cyclops, die Proteus und Nereus, genauso stark und genauso beladen, ebenfalls in dieser Gegend verschwanden. Wieder herrschte Krieg. Und wieder vermutete man zuerst Feindeinwirkung. Doch die Deutschen gaben sich ahnungslos, und es wurden auch diesmal keine Wrackteile gefunden. Von da an galt das Bermudadreieck als heimtückisch, ja teuflisch.

Im Dezember 1945, kurz vor Weihnachten, brachen fünf Torpedo-Bomber zu einem eigentlich harmlosen Trainingsflug in Florida über den Atlantik auf. Alle fünf Maschinen dieses "Flug Nr. 19" verschwanden, kurz zuvor hatten sie über Funk noch von Problemen mit den Kompassen berichtet.

Die US-Navy schickte Flugboote und Schiffe auf die Suche in die Richtung, aus der die letzten Funksprüche gekommen waren. Eines dieser Flugboote verschwand jedoch genauso, Schiffe hatten Explosionen wahrgenommen, man fand auch Öllachen, aber sonst nichts. Insgesamt 27 Menschen sind bei den vielen Unfällen an diesem Tag verschollen.

Im Film waren Aliens die Flügzeugentführer

Trotz intensiver Suche konnte man bis heute nur ein paar Wrackteile finden. Doch sie stammten nie von Flug 19, sondern von zuvor abgestürzten Maschinen. Hatten sich diese fünf Maschinen, so eine These, so gründlich verflogen, dass sie über dem Golf von Mexico abgestürzt waren?

Oder hatten die ohne ihre Kompasse orientierungslosen Piloten auf der Suche nach Florida so oft die Richtung gewechselt, dass sie zwar immer mal wieder die Sonne auf der richtigen Seite hatten, aber schließlich parallel zur Küste flogen, statt auf sie zu?

Flug Nr. 19 ist Stoff des Science-Fiction-Films "Unheimliche Begegnung der dritten Art". Darin wird erzählt, die fünf Bomber seien intakt auf einem Flugplatz in Mexiko gefunden worden. Die Piloten werden hier von Aliens entführt, aber heil wieder zur Erde gebracht.

Die Zeit der Legendenbildung hatte also begonnen. Und der Glaube, dass mit diesen Bermuda-Gewässern etwas nicht stimmt, erhielt immer neue Nahrung.

Im Januar 1948 und im Januar 1949 verschwanden zwei Passagiermaschinen desselben Typs aus der Flotte der British South American Airways in der Gegend. Spurlos, versteht sich. 1948 löste sich eine weitere Passagiermaschine scheinbar in Luft auf.

1955 fand man Connemara IV, eine Vergnügungsyacht, verlassen, aber unbeschädigt auf dem Meer treiben. Eine Geisterhand muss sie sicher durch drei Hurrikane gesegelt haben. 1963 krachten im Bermudadreieck zwei Tankflugzeuge zusammen, angeblich gab es nicht eine, sondern zwei Absturzstellen, die mehr als 260 km auseinanderlagen. Wie das, wenn sie doch zusammengekracht sind?

Ein Studie, die eine Erklärung birgt

Es gibt Dutzende mehr oder weniger abenteuerliche Theorien, die das mysteriöse Verschwinden von Schiffen und Flugzeugen im Bermudadreieck erklären sollen - etwa tropische Wirbelstürme, die in dieser Gegend häufig vorkommen, riesige Monsterwellen oder Blasen aus Methangas, die vom Meeresboden aufsteigen und Schiffe sinken lassen könnten. Und natürlich die obligatorischen Außerirdischen.

Dabei löst sich das Rätsel um das Bermudadreieck, wenn man nur genau hinsieht, genauso in Luft auf, wie die Schiffe, die dort angeblich verschwanden. Es stimmt nämlich einfach nicht, dass hier besonders viele Boote oder Flugzeuge verschollen sind. Eine Studie des World Wide Fund for Nature (WWF) aus dem Jahr 2013 identifizierte die zehn gefährlichsten Gewässer der Erde - das Bermudadreieck war nicht darunter.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2016
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